Zum Stand des Krieges

Zum Stand des Krieges

Als Putin am 17. Juli das Getreideabkommen nicht mehr verlängerte, nahm er in Kauf, das Lager seiner Unterstützer, vor allem die Türkei und China, zu brüskieren. Der Politikwissenschaftler Gerhard Mangott zieht nach 18 Monaten des Krieges eine...
31 Minuten
Podcast
Podcaster
Unabhängige Experten besprechen die großen Fragen unserer Zeit. Unverfälscht. Im Originalton.

Beschreibung

vor 1 Jahr
Als Putin am 17. Juli das Getreideabkommen nicht mehr verlängerte,
nahm er in Kauf, das Lager seiner Unterstützer, vor allem die
Türkei und China, zu brüskieren. Der Politikwissenschaftler Gerhard
Mangott zieht nach 18 Monaten des Krieges eine nüchterne Bilanz und
erklärt, warum und wie sehr China, die Türkei und einige
afrikanische Staaten von Russland abhängig sind und was Russland
wiederum von ihnen braucht.

Immer noch sind Rohöl, Erdgas und Düngemittel das Faustpfand
Russlands. Die Türkei ist auf russische Touristen angewiesen, auf
die Bauaufträge für türkische Unternehmen und für türkische
Landwirte. Gleich zwei Pipelines verbinden Russland mit der Türkei,
die das Gas außerdem weiter nach Europa verkauft. China fungiert in
Bezug auf Dünger ebenfalls als Parallelimporteur bzw. -exporteur
und ermöglicht es Russland so, die westlichen Sanktionen zu
umgehen.
Einen Dragonbear wie ihn die Politologin Velina Tchakarova
beschreibt, sieht Mangott hingegen nicht. China hat ein starkes
Interesse an einem antiwestlichen Russland, das halbwegs stabil
ist. Die Allianz der beiden Staaten sei darüber hinaus nicht so eng
und friktionsfrei wie es die Metapher nahelegt.
Auf der anderen Seite sei die Loyalität der USA zur Ukraine
ungebrochen, wie Mangott erläutert: „Die Waffenlieferungen sprechen
eine deutliche Sprache.“ Ende Juli hat das ukrainische Präsidialamt
unter Präsident Wolodymyr Selenskyj Gespräche über
Sicherheitsgarantien mit Washington aufgenommen.

Das Ende des Krieges
Eine Verhandlungslösung hält Mangott zu diesem Zeitpunkt für nicht
wahrscheinlich. Die Ukraine kann erst dann verhandeln, wenn keine
russischen Soldaten mehr auf ukrainischem Boden sind. „Worüber soll
dann noch verhandelt werden?“, fragt Mangott. Was sich derzeit
abzeichne, sei ein Erschöpfungskrieg, der auf militärische
Abnützung hinauslaufe. Wenn dieses Stadium erreicht ist, werde es
auch zu Verhandlungen kommen, glaubt Mangott.
Ebenso wie der Historiker Timothy Snyder hält Gerald Mangott es für
falsch, den Krieg als einen Krieg Putins zu sehen, das verstelle
den Blick für die tiefgreifenden Veränderungen, die in Russland
passiert sind und wecke die falsche Hoffnung, der Krieg sei
beendet, wenn Putin nicht mehr an der Macht sei: „Auf einen Zerfall
der russischen Führungselite darf der Westen nicht hoffen. Das ist
unrealistisch.“

Die nukleare Bedrohung
Die Angst vor einer nuklearen Eskalation des Krieges kann Gerhard
Mangott nicht ganz beschwichtigen. Die nukleare Drohung sei mehr
als ein Bluff: „Ein Restrisiko für taktische Nuklearwaffen besteht,
wenn Russland den Zugriff auf die Krim gefährdet sieht, dass muss
man berücksichtigen.“

Gerhard Mangott ist Universitätsprofessor für
Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck und auf
Internationale Beziehungen und Sicherheit im postsowjetischen Raum
spezialisiert. Für den Pragmaticus hat er eine Analyse des Systems
Putin geschrieben.

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

AlterZitronenFalter
Schopfheim-Eichen
15
15
:
: