#27 Hilfe, mein Kind tobt!

#27 Hilfe, mein Kind tobt!

Wüten, schlagen, kratzen, beißen
36 Minuten
Podcast
Podcaster

Beschreibung

vor 1 Jahr

Hauen, beißen, sich auf den Boden schmeißen, kratzen, das
Geschwisterkind bei den Haaren ziehen. Ist das noch normal? Ja,
es ist eine gesunde Reaktion, wenn Kinder zeigen und zum Ausdruck
bringen, was sie innerlich fühlen.
Doch die eigentliche Frage ist: Wie gehe ich damit um?

Meistens haben wir selber keine Vorbilder dafür. Kinder benötigen
bei ihren starken Gefühlsausdrücken einen Erwachsenen, der ihnen
als Co- Regulator zur Seite steht, sie wahrnimmt und die Not
hinter dem Ausdruck erkennt. Der Umgang mit Gefühlsregungen ist
ein Lernprozess, der sich bestenfalls bereits am Lebensanfang
entfaltet. Kinder üben diesen Umgang über vielfache
Wiederholungen. Das ist für Eltern oft herausfordernd. Auch wenn
wir als erwachsene Begleiter darum wissen, kann ein starker
Ausdruck unseres Kindes uns selbst in Not bringen. Wird es dann
auch für uns innerlich eng, steigen eigene Gefühle wie
Überforderung, Hilflosigkeit oder Wut hoch und wir reagieren
impulsiv und unkontrolliert.

Kindern drücken ihre Gefühle nicht deswegen so heftig und
wiederholend aus, um uns zu ärgern. Sie sind gefordert zu lernen,
mit diesen oft so überwältigenden Gefühlen umzugehen. Gerade
dann, wenn uns das Verhalten des Kindes am meisten abstößt, 
in diesen Momenten, brauchen sie uns am meisten. Sie benötigen
Nähe und Zuwendung. Denn hinter Wut, Zorn oder Brüllen steht oft
Traurigkeit, Angst oder Überforderung. Auf den ersten Blick ist
das nicht als solches erkennbar. Durch den Ausdruck, der bei den
Eltern entweder einen Fluchtimpuls oder Abwehr auslöst, versuchen
unsere Kinder unsere Zuwendung und Aufmerksamkeit zu bekommen. Es
ist eine Bewegung zu uns hin. Kommt es in einer solchen Situation
zu einem Kontaktabbruch, ist es die Aufgabe der Eltern, die
Verbindung zum Kind zu suchen und erneut aufzubauen. Für ein Kind
ist das oft nicht möglich. Wir erwarten uns dann eine
Entschuldigung, ein Eingeständnis, etwas falsch gemacht zu haben
und können dabei das subjektive Erleben des Kindes nicht
nachvollziehen. Fordern wir in einer solchen Situation eine
Entschuldigung, bleibt es eine Worthülse ohne authentischem
Hintergrund, ein leeres Wort, das erzwungen wurde.

Kinder lernen durch uns. Wir sind ihr
Lebensmodell. Versöhnlichkeit lernen sie, indem wir es
ihnen vorleben. Und manches darf auch Mal stehen gelassen werden.
Nicht alles muss zerredet werden. Denn Worte nehmen Kinder in dem
orange- roten Bereich, wo die Aufnahmefähigkeit stark
eingeschränkt ist, nur mehr begrenzt auf. Wenn ich den Fokus und
die Erwartung auf ein versöhnliches Verhalten auf das Kind
richte, erhöht sich der bereits bestehende Druck, spitzen sich
herausfordernde Dynamiken weiter zu. Hier hilft es, den Fokus auf
sich zu legen, über die sogenannte Selbstanbindung. Dabei wird
das eigene innere Erleben beobachtet: Welche Gedanken habe ich
gerade, was fühle ich, wie nehme ich meinen Körper wahr? Das, was
wir in solchen Momenten in uns erleben, benötig eine liebevolle
Anerkennung. Von sich zu fordern, gelassen und entspannt zu
bleiben ist eine Form der Ablehnung. Da flüstert dann die weise
Stimme in unserem Kopf: "Sei gelassen!" Und das Gefühl im Bauch
brüllt zurück: "Scheiß Gelassenheit!" ... nachdem ich schon 20
mal die gleiche Situation an einem Vormittag hatte.

Handeln wir dann doch einmal anders als wir es uns vorgenommen
hatten, hilft es Kindern, wenn wir es benennen, wenn wir ihnen
zeigen, dass auch wir nicht immer alles wissen, selbst nicht
immer pädagogisch wertvoll reagieren. Fehlerfreundlich mit uns
selbst sein, uns Zeit geben, es immer wieder neu versuchen, ohne
von vorne herein eine korrekte Lösung parat zu haben, sind
mögliche Ansätze auf diesem Weg.

Kinder kommen nicht mit der Absicht auf die Welt, es
Eltern besonders schwer zu machen. Kinder kommen in die Welt, um
ihre Lebendigkeit entfalten zu dürfen in ihrem gesamten
Spektrum. Es tut gut, sich das immer wieder bewusst zu
machen und hilft uns, das Verhalten unseres Kindes nicht als
persönliche Kränkung zu erleben. 
Ganz konkret können wir Kinder einladen, den Ausdruck, egal
welcher Art, in körperliche Bewegung umzusetzen. Dazu stellt
Barbara am Ende der Folge noch ein paar konkrete Ideen vor.

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