Grüße aus der Opferburg Mt 18,21-35
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Beschreibung
vor 1 Jahr
Warum fällt mir Vergebung schwer? Weil ich Unrecht erlitten habe.
Und weil Unrecht nicht sein soll. Und weil da jemand ist, der
etwas dafür kann, der die Verantwortung dafür trägt, der mir
Wiedergutmachung schuldet.
Das mag sich Petrus gedacht haben, als er Jesus fragt, wie oft er
eigentlich seinem Bruder vergeben muss.
Es ist kein Wunder, dass Vergebung mir schwer fällt. Denn
Vergebung bedeutet, eine Schuld zu erlassen, die nicht beglichen
wurde und vielleicht auch gar nicht mehr beglichen werden kann.
Wenn ich über meine Beziehung zu Menschen nachdenke, die mir
gegenüber schuldig geworden sind, dann habe ich zwei Rollen.
Auf der Ebene der Tat bin ich das Opfer und der Andere ist der
Täter. Auf der Ebene der Schuld jedoch bin ich der Gläubiger und
der Andere der Schuldner. Auf der Ebene der Tat war ich
unterlegen. Auf der Ebene der Schuld bin ich überlegen. Ich habe
einen Anspruch gegen den Anderen. Er steht in meiner Schuld.
Meine Gefahr besteht darin, mich in beiden Rollen einzurichten:
In der Rolle des Opfers, das sich beleidigt zurückzieht, nicht
mehr gut vom Anderen denkt und auch nicht mehr gut von sich
selbst. Das die Begegnung vermeidet und sich selbst ungefähr so
leid tut, wie das Opfer es eigentlich vom Täter erwarten würde.
Und in der Rolle des Gläubigers, der Macht über den Schuldner
hat, den er vor dem Tribunal der Gerechtigkeit in der Hand hat.
Vor allem dann, wenn dieser den Schaden nicht mehr gut machen
kann und seine Schuld unbezahlbar ist.
Es lebt und herrscht sich ganz gut in der Opferburg, in der ich
mich unerreichbar gemacht habe für die, die an meine Tür klopfen
und um Vergebung bitten – oder auch nur aus der Ferne Versöhnung
wünschen. Solange ich nicht vergebe, bin ich mächtig. Soll der
Andere doch kommen… Oder sehen, wo er bleibt, der Schuft, mit
seiner elenden, verdammten Schuld…
Aber je länger ich mich eingerichtet habe in der Opferburg, um so
schmerzlicher geht mir auf, was für ein elender Burgherr ich dort
bin. Ich bin eingesperrt. Ich kann nicht raus, ohne Angst zu
haben, wieder und wieder Opfer zu werden.
Wenn es gut geht und ich nicht völlig in Anspruch genommen bin
von Wut, Bitterkeit und Angst gegenüber meinen Schuldigern,
fallen mir in der Einsamkeit meiner Opferburg dann irgendwann
auch die ein, denen gegenüber ich schuldig geworden bin. Und
nicht selten sind das dieselben Leute wie die, die mir gegenüber
schuldig geworden sind. Vor allem da, wo einer von uns die
Ungerechtigkeit des Anderen mit Ungerechtigkeit beantwortet hat.
Und auch denen gegenüber habe ich zwei Rollen – nur umgekehrt.
Ich bin Täter der Tat und Schuldner der Schuld. – Und beides will
ich nicht bleiben.
Aber ich will auch nicht wieder verletzt werden. Und ich will mir
nicht die Blöße geben, zuzugeben, dass ich nicht nur Opfer,
sondern auch Täter, nicht nur Gläubiger, sondern auch Schuldner
bin. Was nun?
Im Gleichnis Jesu erlässt ein König seinem Beamten eine schier
unbezahlbare Schuld. Dieser aber hält unerbittlich an der sehr
viel geringeren Schuld seines Kollegen fest. Offenbar hat er die
Vergebung nicht wirklich angenommen, die ihn seinerseits zur
Vergebung befähigt hätte. Er wollte keine Vergebung. Weder für
sich noch für seinen Nächsten.
Die irdische Lebensgeschichte Jesu endet mit seinem Leiden und
Sterben am Kreuz. Und hier verbindet Er sich mit allen Opfern,
die unschuldig leiden, und mit allen Tätern, denen eigentlich all
das widerfahren müsste, was sie anderen angetan haben.
Jesus Christus ist in meine Opferburg gekommen. Als der, der mir
vergeben und wegtragen will, was ich anderen angetan habe. Das
will ich erbitten und zulassen. Und dann wird Er mir auch zu dem
göttlichen Freund, der mit mir aus der Opferburg auszieht und
denen vergibt, die – wie ich – Vergebung und einen Neuanfang
nötig haben, wenn das Leben gut werden soll.
Fra' Georg Lengerke
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