Überführt werden wollen Mt 18,15-20
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Beschreibung
vor 1 Jahr
Wo ein Streit eskaliert, da rückt der Friede in die Ferne. Doch
es gibt auch eine Eskalation um des Friedens willen. „Wenn dein
Bruder gegen dich sündigt…“, dann sag’s ihm allein. Sag’s ihm mit
Zeugen. Sag’s ihm vor der ganzen Gemeinde, sagt Jesus der jungen
Gemeinde im Matthäusevangelium.
Im Griechischen steht da das Wort „elencho“, was „überführen“
bedeutet. „Überführt“ wird im Deutschen normalerweise ein
Verbrecher seines Verbrechens. Seine Tat und seine Täterschaft
sollen sichtbar gemacht und bewiesen werden.
In der frühen Kirche ist das „Überführen“ jedoch eine Aufgabe und
ein Dienst an den Brüdern und Schwestern. Der heilige Paulus
schreibt seinen Schülern Timotheus und Titus mehrmals, sie
sollten die Geschwister im Glauben zurechtweisen, ermahnen und
„überführen“.
Es geht hier um mehr als bloß um eine Korrektur. Es geht darum,
dem fremd gewordenen Bruder den Spiegel vorzuhalten, damit er
erkennt, was er getan hat und wie es um ihn steht, und ihn so als
Bruder und für die Gemeinschaft „wiederzugewinnen“.
Solches Überführen und Überführtwerden ist eine Kunst. Und zwar
sowohl vom Überführenden, als auch vom Überführten. Ich erinnere
mich an ein Malteserprojekt, in dem ein früherer Leiter seinem
Nachfolger (beide Anfang zwanzig) freundschaftlich zurief: „Biste
bereit für `ne Correctio?“ So als wollte er sich selbst und dem
anderen Mut machen, über eine unangenehme Sache zu reden. Die
Sache ging gut aus und der Angesprochene ging stärker und
aufrechter aus dem Gespräch hervor, als er es vorher war.
Darauf kommt es an: dass wir einander nüchtern und besonnen sagen
und voneinander annehmen können, wo an Haltung oder Verhalten
etwas nicht stimmt. Warum? Damit wir einander „wiedergewinnen“
und von anderen wiedergewonnen werden. Selbst dann, wenn wir in
einer Sache unterschiedlicher Ansicht bleiben.
Um die Kunst des Überführens und des Sich-überführen-Lassens,
steht es in der Kirche und in der Gesellschaft gerade nicht gut.
Aber wo sie gelernt und geübt wird, da überwinden wir die um sich
greifende Sprachlosigkeit, die den anderen nicht mehr nach dem
beurteilt, was er sagt oder tut, sondern danach, was für einer er
vermeintlich oder wirklich ist.
Die Lage ist ernst. Denn nicht miteinander zu reden, nicht mehr
zu streiten, einander nicht „überführen“ oder nicht erkennen zu
wollen, wo mein Gegner ein berechtigtes Anliegen hat, auch wenn
ich ansonsten seine Meinung oder sein Anliegen nicht teile oder
sogar bekämpfe – alles das gefährdet im Staat die Demokratie und
in der Kirche die Einheit.
Und in der Kirche geht es um noch mehr. Wir glauben, dass das
Wort Gottes sich uns auch durch die Schwestern und Brüder
mitteilt. Die correctio fraterna, die geschwisterliche Korrektur
ist eine Weise, wie Gott redet. Der Prophet Ezechiel lässt (in
der heutigen Lesung) Gott sagen, dass wer sich vor dem Versuch
drückt, den schuldig gewordenen Bruder wiederzugewinnen, selbst
an diesem Bruder schuldig wird.
Wir brauchen Übung in „Überführung“ und Korrektur. Dort, wo wir
es nötig haben, uns etwas sagen zu lassen, was unser Leben
möglicherweise schmerzlich (und vielleicht rettend!) zum Besseren
ändert. Und dort, wo wir uns zu einer Rückmeldung durchringen
müssen, wenn wir nicht selbst am Unglück des anderen schuldig
werden wollen.
Wer will, kann ja heute mal folgendes probieren: Bitten wir um
eine (möglicherweise korrektive) Rückmeldung von jemandem, der
uns kennt, schätzt und nicht schmeichelt. Und dann: Sagen wir
jemandem, den wir kennen und schätzen, was ihm zu sagen längst
überfällig ist. Und sei es nur eine schlechte Angewohnheit, über
die viele reden, nur keiner mit ihm.
Das ist ein schönes Übungsfeld um zu entdecken, wie wir versöhnen
und versöhnt werden können, wenn es einmal um Wichtiges – oder
sogar um alles geht.
Fra' Georg Lengerke
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