Corpus Toni – Predigt an Fronleichnam in Heilig Geist, München
8 Minuten
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Beschreibung
vor 1 Jahr
In den Feriencamps der Malteser mit geistig und körperlich
schwerstbehinderten Menschen im Libanon feiern wir täglich die
Heilige Messe. Vieles ist dabei anders. Der Unruhepegel ist meist
höher als sonst. Es kann zu lautstarken Äußerungen von Gefühlen
oder Bedürfnissen, von Freude oder Unmut kommen, die wir zu
verstehen und auf die wir zu reagieren versuchen.
Wer das erste Mal dabei ist, wird vieles von dem, was dort im
Gottesdienst geschieht, zunächst als störend empfinden. Entweder,
weil ihm solche Äußerungen fremd und unverständlich sind, oder
weil für ihn das Dasein füreinander und das Gebet derart
verschiedene Sphären sind, dass das eine immer als Störung des
anderen wahrgenommen wird.
Dabei hat das unverstellte Empfinden von Glück und Leid und das
Vertrauen vieler der behinderten Freude – wenn man es einmal
entziffern, begleiten und mitvollziehen gelernt hat – bereits
vielen Volontären geholfen, besser zu verstehen, was wir in der
Liturgie tun und von Gott empfangen. Auch mir.
Einmal – wir hatten die Lesungen gelesen und Fürbitte gehalten,
die Gaben von Brot und Wein zum Altar gebracht und den Lobgesang
der Engel (das „Heilig, heilig, heilig“) gesungen – trat während
des Hochgebets Toni an den Altar.
Normalerweise haben wir eine 1:1 Begleitung, damit keiner sich
selbst oder sein Umfeld in Gefahr bringt oder spektakuläre
Verwüstungen anrichtet. Die wiederum wären in der Liturgie
wirklich störend gewesen.
Toni war seiner Begleitung offenbar entwischt. Aber das
beunruhigte mich nicht. Toni verwüstete in der Regel nichts. Im
Gegenteil. Toni hat Trisomie. Je nach Stimmung ist er
liebenswürdig, kann bis zur Verzweiflung seiner Begleiter
dickköpfig und gerne auch etwas theatralisch sein. Er liebte die
Liturgie, saß unweit des Altars am Rand und half den Ministranten
bei ihrem Dienst.
Ich hatte mit dem Eucharistischen Hochgebet schon begonnen, als
ich Toni neben mir an den Altar treten sah. Er legte seine Hände
übereinander auf den Altar und beugte sich nach vorne, bis sein
Stirn auf den Handrücken und seine Brust auf dem Altar zu liegen
kam…
Ich hörte ein leises Raunen. Aber keiner unternahm etwas. Nach
einer Schrecksekunde erkannte ich, dass auch ich nichts machen
konnte. Jede disziplinarische Maßnahme meinerseits hätte mehr
zerstört als wiederhergestellt. Und so betete ich weiter und kam
zu den Einsetzungsworten, in denen der Herr vom Brot sagt: „das
ist mein Leib“ und vom Wein „das ist mein Blut“.
Da erinnerte mich an etwas, was ich in einer Heiligen Messe
gesehen hatte, die nach dem Messbuch von 1962 gefeiert wurde.
Dabei lehnte sich der Priester bei den Einsetzungsworten so weit
nach vorne, dass es schien, als würde er sich mit den Gaben von
Brot und Wein auf den Altar legen.
Toni tat genau das. Es schien, als legte er sich mit den Gaben
von Brot und Wein auf den Altar. So, als würde Jesus auch von
seinem Leib sagen: „Das ist mein Leib“, so, als würden der Corpus
Toni und der Corpus Christi eins.
Ich musste an die Gabengebete denken, in denen wir darum bitten,
Gott möge mit den Gaben von Brot und Wein auch uns annehmen,
damit mit den Gaben von Brot und Wein auch die Welt verwandelt
wird.
Diese Verwandlung beginnt mit der Eucharistie. Und sie geht
weiter mit denen, die eucharistisch zu Christus gehören. Paulus
nennt nicht nur die Eucharistie, sondern auch die Kirche „Leib
Christi“ (1 Kor 12,27; Eph 4,12). Toni erinnert mich bis heute
daran, dass ich mit den Gaben von Brot und Wein mich selbst und
alle Menschen zum Altar und vor Gott bringen soll, damit wir –
wie es der heilige Augustinus einmal gesagt hat – durch das Wort
und die Hingabe Jesu Christi „empfangen, was wir sind – der Leib
Christi, und werden, was wir empfangen – der Leib Christi“.
Dann geht Fronleichnam weiter. Wenngleich stiller und
bescheidener: Wir gehen mit Christus. Und Christus geht mit uns.
Fra' Georg Lengerke
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