Eines Geistes sein. Predigt in St. Georg, München-Bogenhausen, Apg 2,1-11
8 Minuten
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Beschreibung
vor 1 Jahr
Seit einiger Zeit schaue ich in der Münchener U-Bahn nicht mehr
aufs Handy. Stattdessen lese ich in einem kleinen Buch, mache mir
Notizen oder schaue mich einfach um. Neulich traf sich dabei mein
Blick mit dem einer jungen Frau, die das gleiche tat. Es war, als
wären wir beiden die einzigen. Alle anderen waren von ihren kleinen
Bildschirmen in Anspruch genommen. Sie lächelte und ich lächelte
zurück, und für einen Augenblick waren wir eine kleine konspirative
„Widerstandsgruppe“ inmitten der Weltvergessenen um uns herum. Wir
kannten uns nicht, aber in diesem Punkt verstanden wir einander.
Das Pfingstfest handelt von tödlicher Sprachverwirrung und
rettender Verständigung. An Pfingsten wird die Geschichte der Stadt
Babel erzählt, deren Bewohner einen Turm bis zu Gott bauen und wie
Gott sein wollen und darüber die gemeinsame Sprache und die
Fähigkeit, einander zu verstehen verlieren (Gen 11,1-9). Und es
wird von Jerusalem erzählt, wo am jüdischen Fest des
Bundesschlusses 50 Tage nach dem Paschafest und der Auferstehung
Jesu eine Kraft wie Feuer von oben kommt. Die ergreift die
versammelten zwölf Beauftragten Jesu und lässt sie so von Gottes
Taten und Wundern sprechen, dass die Menschen aller dort
versammelten Sprachen sie verstehen können. In einem Pfingsthymnus
der Ostkirche wird heute gesungen: „Als Er herabkam, die Sprachen
zu verwirren, schied der Höchste die Völker; als Er des Feuers
Zungen verteilte, rief Er alle zur Einheit: und einstimmig
verherrlichen wir den Allheiligen Geist!“ Ich muss in letzter Zeit
oft an die Geschichte vom Verlust der gemeinsamen Sprache in Babel
denken. Dass wir einander verstehen, wird selbst innerhalb einer
gemeinsamen Sprache immer schwieriger. Auf der einen Seite gibt es
eine immer größere sprachliche Sensibilität und das Bemühen um
„sprachliche Gerechtigkeit“. Und das ist gut so. Auf der anderen
Seite wachsen Misstrauen und Verdacht, weil ein Wort und seine
Bedeutung zweierlei und nicht einfach identisch sind. Und weil die
Deutung eines Wortes Wohlwollen braucht. „Der Mensch“ kann eine
Frau sein. Und „die Person“ ein Mann. Wer heute noch so spricht,
wie er gestern sprach, ist für manche bereits ein
Menschenverächter. Kann es sein, dass unser Turmbau zu Babel heute
darin besteht, dass wir versuchen, die perfekte und gerechteste,
berechenbarste und beherrschbarste aller Gesellschaften zu
schaffen, die keines Gottes mehr bedarf? Und kann es sein, dass wir
– gleich den Unglücklichen von Babel – dabei sind, die gemeinsame
Sprache zu verlieren? Pfingsten ist nicht ein autoritativer Aufruf
zu Verständnis. An Pfingsten geht eine Kraft von Gott aus, die dem
einen Verständlichkeit und dem anderen Verstehen schenkt. Eine
Kraft, die die einen für das Wort und Wirken Gottes öffnet und die
anderen befähigt, ihnen dieses zu offenbaren. Pfingsten ist da, wo
wir den Geist des Verstehens empfangen und ihn bei anderen finden.
Dass wir jemanden verstehen, heißt nicht, dass wir mit ihm
einverstanden sind. Aber wir erkennen, worum es ihm geht. Auch wenn
er noch so Befremdliches für wahr hält, einfordert oder bewahren
will. Auch nach Pfingsten ist noch einiges auszuhalten und zu
ertragen. (Diese Alltagsmühe nennt man Toleranz.) Die Kraft auch
dazu schenkt uns der Heilige Geist. Denen, die den Geist Gottes
empfangen, geht es – bei allen schmerzlichen Unterschieden auf dem
Weg – im Letzten um Dasselbe: dass Gott bei den Menschen ankommt
und wir Menschen miteinander bei Gott ankommen. Ich denke an meine
konspirativen Gefährten aus der U-Bahn. Wir schauen einander an,
lächeln kurz, aber reden nicht. Und ich denke mir: In Dir und in
mir wirkt derselbe Geist, dieselbe Kraft, dieselbe Gabe Gottes.
Einmal werden wir uns wiedersehen vor Seinem Angesicht – und Gott
und einander verstehen, spätestens dann. Das wird ein munteres, ein
pfingstliches Zusammentreffen werden… Fra' Georg Lengerke
aufs Handy. Stattdessen lese ich in einem kleinen Buch, mache mir
Notizen oder schaue mich einfach um. Neulich traf sich dabei mein
Blick mit dem einer jungen Frau, die das gleiche tat. Es war, als
wären wir beiden die einzigen. Alle anderen waren von ihren kleinen
Bildschirmen in Anspruch genommen. Sie lächelte und ich lächelte
zurück, und für einen Augenblick waren wir eine kleine konspirative
„Widerstandsgruppe“ inmitten der Weltvergessenen um uns herum. Wir
kannten uns nicht, aber in diesem Punkt verstanden wir einander.
Das Pfingstfest handelt von tödlicher Sprachverwirrung und
rettender Verständigung. An Pfingsten wird die Geschichte der Stadt
Babel erzählt, deren Bewohner einen Turm bis zu Gott bauen und wie
Gott sein wollen und darüber die gemeinsame Sprache und die
Fähigkeit, einander zu verstehen verlieren (Gen 11,1-9). Und es
wird von Jerusalem erzählt, wo am jüdischen Fest des
Bundesschlusses 50 Tage nach dem Paschafest und der Auferstehung
Jesu eine Kraft wie Feuer von oben kommt. Die ergreift die
versammelten zwölf Beauftragten Jesu und lässt sie so von Gottes
Taten und Wundern sprechen, dass die Menschen aller dort
versammelten Sprachen sie verstehen können. In einem Pfingsthymnus
der Ostkirche wird heute gesungen: „Als Er herabkam, die Sprachen
zu verwirren, schied der Höchste die Völker; als Er des Feuers
Zungen verteilte, rief Er alle zur Einheit: und einstimmig
verherrlichen wir den Allheiligen Geist!“ Ich muss in letzter Zeit
oft an die Geschichte vom Verlust der gemeinsamen Sprache in Babel
denken. Dass wir einander verstehen, wird selbst innerhalb einer
gemeinsamen Sprache immer schwieriger. Auf der einen Seite gibt es
eine immer größere sprachliche Sensibilität und das Bemühen um
„sprachliche Gerechtigkeit“. Und das ist gut so. Auf der anderen
Seite wachsen Misstrauen und Verdacht, weil ein Wort und seine
Bedeutung zweierlei und nicht einfach identisch sind. Und weil die
Deutung eines Wortes Wohlwollen braucht. „Der Mensch“ kann eine
Frau sein. Und „die Person“ ein Mann. Wer heute noch so spricht,
wie er gestern sprach, ist für manche bereits ein
Menschenverächter. Kann es sein, dass unser Turmbau zu Babel heute
darin besteht, dass wir versuchen, die perfekte und gerechteste,
berechenbarste und beherrschbarste aller Gesellschaften zu
schaffen, die keines Gottes mehr bedarf? Und kann es sein, dass wir
– gleich den Unglücklichen von Babel – dabei sind, die gemeinsame
Sprache zu verlieren? Pfingsten ist nicht ein autoritativer Aufruf
zu Verständnis. An Pfingsten geht eine Kraft von Gott aus, die dem
einen Verständlichkeit und dem anderen Verstehen schenkt. Eine
Kraft, die die einen für das Wort und Wirken Gottes öffnet und die
anderen befähigt, ihnen dieses zu offenbaren. Pfingsten ist da, wo
wir den Geist des Verstehens empfangen und ihn bei anderen finden.
Dass wir jemanden verstehen, heißt nicht, dass wir mit ihm
einverstanden sind. Aber wir erkennen, worum es ihm geht. Auch wenn
er noch so Befremdliches für wahr hält, einfordert oder bewahren
will. Auch nach Pfingsten ist noch einiges auszuhalten und zu
ertragen. (Diese Alltagsmühe nennt man Toleranz.) Die Kraft auch
dazu schenkt uns der Heilige Geist. Denen, die den Geist Gottes
empfangen, geht es – bei allen schmerzlichen Unterschieden auf dem
Weg – im Letzten um Dasselbe: dass Gott bei den Menschen ankommt
und wir Menschen miteinander bei Gott ankommen. Ich denke an meine
konspirativen Gefährten aus der U-Bahn. Wir schauen einander an,
lächeln kurz, aber reden nicht. Und ich denke mir: In Dir und in
mir wirkt derselbe Geist, dieselbe Kraft, dieselbe Gabe Gottes.
Einmal werden wir uns wiedersehen vor Seinem Angesicht – und Gott
und einander verstehen, spätestens dann. Das wird ein munteres, ein
pfingstliches Zusammentreffen werden… Fra' Georg Lengerke
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