FROH (3. Advent) Phil 4,4-5

FROH (3. Advent) Phil 4,4-5

4 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren

Freude kann man nicht anordnen. Und wo sie angeordnet wird,
bewirkt das – jedenfalls bei mir – todsicher ihr Gegenteil.
Insofern hat der heutige Sonntag ein unerfreuliches Potenzial. Er
beginnt mit dem Aufruf zur Freude: Gaudete – Freut Euch! (Phil
4,4)


Der Satz ist besonders provokant in einer Zeit, in der Sorgen,
Ängste und Bedenken eher mehr werden. Freude wird zum seltenen
Glück – oder zum Zeichen, dass einer nicht gemerkt hat, wie ernst
die Lage ist.


Heute gebe ich mir Rechenschaft über meine Freude. Die kann der
heutige Sonntag nicht anordnen. Aber er kann mich an sie
erinnern. Wie müsste eine Freude der Christen aussehen, die
angesichts des Ernstes der Lage Bestand hat?


Sie dürfte erstens nicht bloß nostalgisch sein, eine seufzende
Erinnerung an Gewesenes, an eine untergegangene bessere Zeit.


Zweitens kann sie sich nicht zufriedengeben mit einer Vertröstung
auf eine jenseitige Zukunft, die für die Gegenwart irrelevant
ist.


Und drittens wäre sie keine Freude, wenn an sie dauernd
Bedingungen geknüpft werden: Ich würde mich ja freuen, wenn nur
die Gesellschaft, die Politik, das Klima, der Arbeitsplatz, der
Ehepartner oder die Kinder – und überhaupt die Welt besser wären
und nicht vom Untergang bedroht.


Die Freude, um die es hier geht, ist schließlich nur dann echt
und glaubwürdig, wenn sie nicht um den Preis der Verdrängung von
Leid und Schuld erkauft wird oder irgendwelchen psychischen
Sonderbedingungen geschuldet ist.


Wir sollten uns zunächst einfach mal an allem Guten freuen. An
allen guten Gaben und ihrem Geber. Vor allem an ihm, sagt Paulus
im Philipperbrief, von dem der heutige Sonntag seinen Namen hat:
„Gaudete – Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! … Der Herr ist
nahe.“


Eine Glaubensgewissheit wird für mich seit einiger Zeit immer
wichtiger und klarer: Das umstürzend Neue des Glaubens an Jesus
Christus besteht darin, dass in ihm Gott selbst von jenseits
meiner Leistungen und Erfolge, meiner Bedingungen und Hindernisse
der Freude in das Diesseits der versehrten Welt und auf meine
Seite des Schmerzes gekommen ist. „Vor aller Leistung, trotz
aller Schuld.“ (K. Kliesch)


Deshalb freue ich mich über das, was war und geworden ist: dass
Gott um der ganzen Welt willen mit einem Volk eine neue
Geschichte begonnen hat; dass in diesem seinem Volk ein Mensch
aufgetreten ist, dem einige Menschen geglaubt haben, dass Er die
personale Gegenwart Gottes für alle Menschen ist; und dass dieser
Eine, nachdem Er getötet und auferweckt wurde, durch das Zeugnis
der Seinen in unser Leben eingetreten ist.


Ich freue mich auf das, was dieser Eine versprochen hat: dass das
Ziel unseres Lebens die vollkommene Glückseligkeit bei Gott ist,
und dass bei Ihm die ganze Wirklichkeit einmal ankommen wird –
wenn sie es will.


Und ich freue mich an dem, was ist: dass „der Herr nahe ist“ –
mir und meinen Nächsten. So nahe, dass er mein Leben zu seinem
Leben macht, damit sein Leben zu meinem Leben wird, seine Liebe
zu meiner Liebe und seine Freude zu meiner Freude.


An die will ich mich heute erinnern lassen. Sie geht allen
Argumenten voraus. Und sie hat Bestand – auch angesichts des
Ernstes der Lage.


Fra' Georg Lengerke

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