Woran wir kleben Lk 21,5-19

Woran wir kleben Lk 21,5-19

4 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren

Seit Beginn der Pandemie gehe ich möglichst viele Wege durch die
Stadt zu Fuß. Das ist nicht nur gesund, sondern manchmal auch
schneller als mit dem Auto. Zum Beispiel letzten Montag am
Stachus, weil sich einige Klimaaktivisten auf der Straße
festgeklebt haben.


Die Unbedingtheit, mit der sie vor einer menschengemachten
Unbewohnbarkeit der Erde warnen, beeindruckt mich. Ihre Methoden
finde ich fragwürdig.


Die Sorge um das Ende der sichtbaren Welt findet sich auch in der
Bibel. Auch die Warnung, die uns anvertraute Welt nicht zu
zerstören. Darin sollten wir uns also mit allen Menschen guten
Willens einig sein.


Allerdings sagt die Offenbarung auch, dass das Ende der
vergänglichen Welt unausweichlich ist. Aber nicht wir dürfen es
herbeiführen, sondern Gott wird es tun.


Doch was Gott herbeiführt, sagt die Schrift, ist nicht bloß Ende,
sondern Vollendung, nicht bloß Zerstörung, sondern Verwandlung,
nicht bloß Untergang, sondern Aufgang, nicht bloß Abschied,
sondern Ankunft.


Jesus ist sehr nüchtern, wenn es um diese Dinge geht. Panikmache
ist ihm fremd. Uns offenbar nicht. Deshalb zuerst die Mahnung:
„Gebt acht, dass man Euch nicht irreführt.“ Wer Angst hat, wird
verführbar. Von Stimmen, die einlullen oder Panik verbreiten. Von
Stimmen, die vom Ende nichts wissen wollen oder allzu genau zu
wissen meinen, wann und wie das Ende kommt.


Mir hilft die Auslegung der endzeitlichen Texte durch die
Theologen der frühen Kirche:


Für Athanasius fängt die Irreführung damit an, dass wir uns „die
Gnaden und Lehren“ nehmen lassen, „die über den Menschen
hinausgehen“, wie „die Teilhabe am himmlischen Leben, die
Gotteskindschaft, die Erkenntnis des Vaters und die Gabe des
Wortes und des Heiligen Geistes“. Wo es keine Wirklichkeit über
die sichtbare hinaus geben darf, hat die Irreführung schon
begonnen.


Die Phänomene des Endes deuten die Väter vom inneren Menschen
her: „Erdbeben“ sind nicht bloß tektonische Verschiebungen,
sondern Erschütterungen des Menschen. „Hungersnöte“ sind nicht
bloß Mangel an Nahrung, sondern an göttlichem Sinn. „Kriege und
Unruhen“ sind nicht bloß Auseinandersetzungen zwischen Ländern
oder Parteien, sondern innere Kämpfe der Willensbestrebungen im
Menschen.


Bei solch einer Lesart geht es nicht um eine Weltflucht nach
innen, sondern darum, dass innen und außen
zusammengehören:„Zuerst verlieren die Herzen der Menschen ihre
Ordnung, danach erst die Kräfte der Natur“, schreibt Gregor der
Große.


Es ist zu wenig, dass wir die Welt nicht zerstören. Unser Ziel
soll sein, dass wir „das Leben gewinnen“. Dieses Leben, das der
Tod nicht töten kann, kommt da zum Vorschein, wo die unendliche
Liebe Gottes zu seiner endlichen Welt angenommen, angebetet und
mitvollzogen wird – von Menschen, die immer mehr Liebende werden.


Wir dürfen nicht zerstören, was uns anvertraut ist. Aber wir
sollten uns auch nicht an das kleben, was vergänglich ist.
Strecken wir uns lieber nach dem aus, der uns von jenseits
unserer Endlichkeit entgegenkommt.


Fra' Georg Lengerke

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