Bitte an einen Freund Lk 11,1-13

Bitte an einen Freund Lk 11,1-13

4 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren

In seinem Buch „How to be an Alien“ vergleicht der Exil-Ungar
George Mikes die Engländer mit „people on the Continent“. Im
Kapitel „How to be rude“ geht es um den Umgang mit einem Lügner.
Dem entgegne man auf dem Kontinent: „You are a liar, Sir, and a
rather dirty one at that.” In England sage man nur: „Oh, is that
so?” oder „That ́s rather an unusual story, isn ́t it?”


Ähnlich reagieren die höflicheren Verächter des Christentums,
wenn sie das Wort Jesu über die Wirksamkeit des Gebets hören:
„Wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer
anklopft, dem wird geöffnet.“ – „Oh, ist das so? Eine eher
ungewöhnliche Geschichte, oder?“


Wie viele Menschen haben gebetet und nicht empfangen, gesucht und
nicht gefunden, angeklopft und die Tür nicht geöffnet bekommen?


Jesus kennt und teilt das Ringen mit Gott und die Verzweiflung
der Menschen angesichts unerträglichen Leids. Aus dieser
Erfahrung lehrt er seine Jünger das Beten. Nicht bloß als
Notfalloption gegenüber einer fremden und anonymen Instanz. Jesus
vergleicht das Gebet mit der Bitte an einen Freund – selbst wenn
sie für diesen zur Unzeit kommt. Der Freund ist der, der sich mir
offenbart und dem ich mich offenbare; der sich mir anvertraut und
dem ich mich anvertraue; und er ist einer, mit dem es mir
gemeinsam um etwas geht.


Aber es gibt Christen, die nicht beten, sondern bloß bestellen.
Die nicht suchen, sondern bloß vermissen. Die nicht anklopfen,
sondern bloß Verschlossenheit beklagen. Und die Versuchung dazu
kenne ich. Aber Gott ist kein Lieferdienst, nicht der
Erfüllungsgehilfe unserer Wünsche und nicht der Reinigungsservice
für unsere Schuldfolgen.


Das Gebet als „Gespräch mit einem Freund“ (Teresa von Avila)
beginnt für mich mit dem Dank für das, was ist. Im Gebet vertraue
ich mich diesem Freund an – mit meiner Geschichte, meinen Freuden
und meinen Stärken, meiner Schwachheit, meiner Schuld und meiner
Scham. Ich frage nach seinem Willen. Ich höre in die Stille und
auf sein Wort. Und nachdem ich gedankt, gefragt und hingehört
habe, bitte ich ihn.


Ich finde es bedenkenswert, dass es in den ersten drei Bitten des
Vaterunsers um Gott geht (um seinen Namen, sein Reich und seinen
Willen) und erst in den letzten drei Bitten um uns (unsere
Vergebung, unsere Versuchung und unsere Erlösung). Dazwischen
steht die Bitte um das tägliche und (wörtlich) „überwesentliche“
Brot. Dieses Brot ist beides: unsere tägliche Nahrung und der
göttliche Freund selbst. Der ist auf unsere Seite der ungelösten
Probleme, der unbeantworteten Fragen und der unerhörten Bitten
gekommen, damit wir ihm glauben, dass er uns und die Welt nach
Hause in die Liebe, die Freude und das Glück bringt, die wie er
unsterblich sind.


Und wenn ich so zu ihm bete, dann denke ich manchmal schmunzelnd
mit den höflicheren Verächtern des Christentums: „Oh, das ist
eine eher ungewöhnliche, ja, eine unerhörte Geschichte, oder
nicht?“


Fra' Georg Lengerke

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