Schaf im Wolfspelz Lk 10,1-12.17-20

Schaf im Wolfspelz Lk 10,1-12.17-20

4 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren

Es gibt Worte im Evangelium, die machen mir Angst. Oder sagen wir
eher: Unbehagen. So wenn Jesus im heutigen Evangelium 72 Jünger
in die Städte voraussendet, in die er selbst gehen wollte.
„Geht“, sagt er, „ich sende euch wie Schafe mitten unter die
Wölfe.“ Das ist es, was mir Unbehagen macht.


Vielleicht hat auch diese Angst dazu geführt, dass Christen den
Spieß lieber umgedreht und sich benommen haben, als seien sie wie
Wölfe unter die Schafe gesandt worden. Bis hin zu der Karikatur,
den Christen und der Kirche ginge es letztlich überhaupt nur
darum: als „Wolf im Schafspelz“ die Welt im Namen Jesu mit Furcht
und Schrecken zu überziehen und sie sich einzuverleiben wie der
Wolf das Schaf.


Der Vergleich mit den Schafen unter den Wölfen sagt uns nicht:
die Welt ist böse und aggressiv, ihr aber seid arglos und
harmlos. Wir wissen nicht erst seit kurzem, dass es genau
andersherum kommen kann.


Mitunter frage ich mich sogar, ob ich nicht vielleicht Angst vor
dem Verzicht auf meine Wolfsmethoden habe, vor dem Verlust meines
Ansehens unter den Wölfen oder meiner Zugehörigkeit zu ihnen.


Was Jesus sagen will, ist: Ihr müsst damit rechnen, dass man Euch
wie mich nicht willkommen heißt, nicht versteht, nicht
wertschätzt, dass man Euch wie mich lieber anpassen, einverleiben
oder weghaben will.


Und mit dieser Situation sollen wir gerade entgegengesetzt zu dem
umgehen, wie es uns intuitiv naheläge. Wir sollen uns weder
einfach unterwerfen oder anpassen, noch sollen wir weglaufen, uns
in Sicherheit bringen und abschotten. – Wenngleich es immer auch
Zeiten und Orte des Rückzugs braucht, in denen nicht jeder was
verloren hat.


Wenn ich mich mit anderen „wie Schafe unter die Wölfe“ senden
lasse, dann kann und soll ich etwas wagen und mich meinem
Unbehagen und der Gefahr von Ablehnung stellen. Ich kann und soll
Beziehungen aufbauen und in die Beziehung zu Jesus einladen oder
für sie werben. Ich kann und soll Frieden haben und schenken. Ich
kann und soll mich den Menschen anvertrauen und mich angewiesen
machen, wie es jede Gemeinschaft mit sich bringt.


Und all das wehrlos wie ein Schaf. Das heißt nicht, dass ich
nicht auch ringen und streiten soll, wie es die Liebe manchmal
verlangt. Jesus verbietet den „geistlichen Kampf“ nicht, sondern
fordert und lehrt ihn.


Aber es bedeutet doch, dass ich mir den dauernden
Verteidigungsreflex und die aggressive Wehrhaftigkeit gegen wahre
und falsche Vorwürfe und das latente Beleidigtsein bei
ungerechter Behandlung nehmen lasse.


Die Jünger gehen, wohin Jesus gehen will. Aber nicht bloß nach
ihnen. Wohin die Jünger gehen, dahin geht ihr Herr – in und mit
ihnen. Diese wehrlose Verbundenheit mit Jesus Christus verleiht
„Vollmacht […] über die ganze Macht des Feindes. Nichts wird euch
schaden können.“


Doch nicht der Blick nach unten zum Unterlegenen nimmt mir meine
Angst und gibt mir die Freude, sondern der Blick zu dem, der mich
von Ewigkeit her kennt und nennt und nicht vergisst.


Fra' Georg Lengerke

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