Die offene Stelle im Informationskrieg (Apg 5, 27–32.40b–41)

Die offene Stelle im Informationskrieg (Apg 5, 27–32.40b–41)

4 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren

In den vielfältigen Auseinandersetzungen unserer Zeit tobt auch
ein sogenannter „Informationskrieg“. In dem stehen sich u. a. die
Angst vor Lüge, Vertuschung und Desinformation einerseits und der
Protest gegen Zensur, Einseitigkeit und sprachliche oder
informationelle Bevormundung andererseits gegenüber.


Dieser Krieg verwirrt mich weniger wegen der in der Tat
verwirrenden Informationslage, sondern weil ich in ihm auf beiden
Seiten stehe. Ich möchte weder belogen noch bevormundet werden.


In einem Verfahren vor dem Hohen Rat werden die Apostel an ein
Redeverbot über die Lehre Jesu erinnert, die für sachlich falsch
und für politisch und religiös gefährlich gehalten wird. Für ein
solches Verbot kann es damals wie heute gute Gründe geben.
Dennoch sehen sich die Apostel nicht in der Lage, diesem Verbot
Folge zu leisten: „Man muss Gott mehr gehorchen als den
Menschen.“ (Apg 5,29)


Wir erkennen den Willen Gottes in der Schöpfung, im Wort und
Wirken Jesu, im Gebet und im Gewissen, in der Hl. Schrift und der
Überlieferung, im Zeugnis der Heiligen und in der Lehre der
Kirche. Hinzu kommt die Kunst der „Unterscheidung der Geister“,
in der Lehrer wie Ignatius von Loyola uns Kriterien anbieten, um
herauszufinden, „was mehr dem Willen Gottes entspricht“.


Es gibt Behauptungen, denen muss „um Gottes Willen“ widersprochen
werden. Aber der Wille Gottes eignet sich nicht als Argument für
Fragestellungen, in denen man legitimerweise unterschiedlicher
Auffassung sein kann. Man kann als Christ mit guten Gründen für
oder gegen eine Impfpflicht oder in bestimmen Fällen für oder
gegen Gewaltanwendung sein.


Entscheidend scheint mir etwas anderes zu sein. Es wird wichtig
sein, dass Christen Zeugnis dafür geben, dass „wir die Wahrheit
nicht haben, sondern die Wahrheit uns hat“ (Benedikt XVI.), dass
das, was wir vom Willen Gottes verstanden zu haben meinen, zuerst
unser eigenes Leben prägen will.


Das Erkennen des Willens Gottes ist nämlich kein einfaches
Bescheidwissen. Was uns im Glauben offenbar ist, ist uns gerade
nicht verfügbar. Vielmehr erwächst es aus der Kommunikation mit
Gott als dem ganz Anderen durch unsere Lebens- und Weltgeschichte
hindurch.


Das ist der subtilste und zugleich mächtigste Widerstand gegen
alle totalitären Ideologien und jedes abgeschlossene System –
auch und gerade wo die sich den Anschein der
Menschenfreundlichkeit oder Frömmigkeit geben. Das Hören, Tun und
Weitersagen des Willens Gottes hält in der Welt eine Stelle zu
Gott hin offen, dem schöpferischen und liebenden und einmal
vollendenden Gegenüber von allem, was ist.


In unseren Tagen werden wir – Gott sei Dank – jeder Möglichkeit
beraubt, den Willen Gottes mit den Mitteln weltlicher Macht oder
Gewalt durchzusetzen. Am Ende wird es die Liebe sein, die der
Eine in seinem Sterben offenbart hat und für die noch viele
sterben werden, die den Sieg davonträgt – und zwar um aller
Menschen willen.


Fra' Georg Lengerke

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