Falsche Freunde - Palmsonntag Lk 22,14-23,56

Falsche Freunde - Palmsonntag Lk 22,14-23,56

3 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren

Krisenzeiten zeigen uns, wer und wie wir wirklich sind oder sein
können. In unserer Haltung, in unserem Verhalten und in unseren
Verhältnissen. Im Mikrokosmos unserer Lebensumstände. Und im
Makrokosmos der gesellschaftlichen und politischen Bedingungen
unserer Zeit.


Am Palmsonntag beginnt die Karwoche. Die erinnert uns an die
finale Krise der letzten Tage des Lebens Jesu. Die Texte vom
Palmsonntag geben uns einen Überblick – beginnend mit dem
umjubelten Einzug Jesu in Jerusalem bis zu seinem Tod am Kreuz
als von den Menschen Verfluchter.


Ich denke in dieser Zeit viel über Freundschaft nach. Und über
Freundschaft in der Krise. Auch von ihr erzählen die Berichte der
letzten Tage Jesu.


Da ist zunächst die Masse, die Jesus beim Einzug nach Jerusalem
zujubelt. Echte Freude über den Messias mischt sich mit einer
rauschhaften Verblendung durch falsche Erwartungen. Und verführt
und mitgerissen im Taumel religiöser und politischer Stimmungen
brüllt dieselbe Masse wenige Tage später: „Weg mit ihm! Ans Kreuz
mit ihm!“


Da ist der eine Jünger, der die Polizei zu Jesus führt.
Vielleicht im idealistischen Glauben, der wahre Messias werde
sich am Scheitelpunkt der Krise siegreich offenbaren. Vielleicht
aus bitterer Enttäuschung über die ausbleibende Revolution. Jesus
spricht ihn als den an, zu dem er erwählt war: „Freund, dazu bist
du gekommen?“ (Mt 26,20)


Da sind die Politiker Pontius Pilatus und König Herodes, die
einander misstrauen und verachten. Nun eint sie aufs Schönste die
Abneigung gegen den Einen, in dem Gott als Mensch vor ihnen
steht. Sie werden Vertraute im Bösen. „An diesem Tag wurden
Herodes und Pilatus Freunde.“


Und schließlich ist da nochmal Pilatus, der sich windet, bis er
dem Hass der Gebildeten und der Wut des aufgepeitschten Mob
nachgibt. Aus Angst, die korrumpierende Gunst der herrschenden
Macht und Meinung zu verlieren; aus Angst vor dem
lebensbedrohlichen Verdacht: „Wenn du diesen freilässt, bist du
kein Freund des Kaisers!“ (Joh 19,12)


Auch hier gilt: Das Evangelium handelt nicht zuerst von den
Anderen, sondern von uns. Gott spricht nicht bloß zu den Anderen,
sondern zuerst zu mir.


Zu wem gehöre ich? Ich bin mir meiner nicht sicher. Aber ich will
zu den verbleibenden Verschreckten unter dem Kreuz gehören. Zu
denen, die Gott seine Freundschaft zu uns Menschen glauben, seine
Hingabe in mein Leben, seine Treue, die meine Untreue erträgt und
verwandelt. Ich will zu denen gehören, die beim Kreuz stehen, die
am Grab warten und die mit dem Auferstandenen ins Leben gehen,
damit sie mit ihm die Menschen lieben.


Fra' Georg Lengerke

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