Heute dort morgen hier – Eine heilsame Verunsicherung Lk 13,1-9
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Beschreibung
vor 2 Jahren
„Heute hier, morgen dort“, sang Hannes Wader 1972. Da war ich
vier Jahre alt. Später habe ich das Lied am Lagerfeuer gesungen.
Da war der Titel schon ein geflügeltes Wort. Das Lied handelt vom
Lebensgefühl eines Menschen, der angesichts der Veränderlichkeit
aller Dinge immer unterwegs bleibt und heute noch nicht weiß, wo
er morgen landet.
Daran musste ich dieser Tage denken. Denn das Evangelium dieses
Sonntags dreht all das um. Es handelt nicht davon, wohin ich
gehe, sondern von dem, was zu mir kommt. Es handelt nicht vom
Leben, das immer und immer weitergeht, sondern vom Leben, das
einmal auf den Punkt kommt. Es handelt nicht davon, dass ich
„heute hier, morgen dort“ bin, sondern von dem, was „heute dort
und morgen hier“ ist.
Die Jünger erzählen Jesus von einem Blutbad, das Pontius Pilatus
am Tempel in Jerusalem angerichtet hatte. „Meint ihr, dass diese
Galiläer größere Sünder waren als alle anderen Galiläer, weil das
mit ihnen geschehen ist?“ fragt Jesus sie. Vielleicht hatten die
Jünger darüber spekuliert, ob die Opfer an ihrem schrecklichen
Los vielleicht selbst schuld gewesen seien. Jesus macht solchen
Spekulationen ein Ende: „Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr
alle genauso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.“ Es geht nicht um
die Anderen. Es geht um Euch. Was heute dort ist, kann morgen
hier sein. Ihr wähnt Euch in Sicherheit und seid es nicht.
Das trifft das Lebensgefühl vieler Menschen dieser Tage. Krieg
ist nicht mehr eine Nachricht aus fernen Erdteilen. Einschränkung
von Freiheiten ist nicht mehr nur ein Zeichen totalitärer Regime.
Und Mittelknappheit nicht mehr nur ein Phänomen in immer schon
ärmeren Ländern.
Vielleicht haben wir uns zu sehr in Sicherheit gewiegt. Krieg ist
woanders, nicht hier. Mir ging das vor fünf Jahren so. Krebs
haben andere Leute, nicht ich. Seitdem denke ich oft an Jesu
Gleichnis vom Feigenbaum, der drei Jahre fruchtlos bleibt und
abgehauen werden soll.
Der Winzer macht sich um Anwalt des Todgeweihten: „Herr, lass ihn
dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum
aufgraben und düngen. Vielleicht trägt er in Zukunft Früchte;
wenn nicht, dann lass ihn umhauen!“
Seitdem ich wieder gesund bin, lebe ich in diesem zusätzlichen
Jahr. Es ist ein Jahr der Bekehrung. Ich weiß, dass es morgen
oder in fünf Jahren vorbei sein kann. Und dass Gott alles tut und
alles gibt, damit ich Früchte in seiner Sorge um die Menschen
bringe.
Heute käme mir das allzu jugendliche Wandervogel-Lied von Hannes
Wader nicht mehr über die Lippen. Irgendwann ist auch mal Schluss
mit „heute hier, morgen dort“. Und zwar dann, wenn das, was heute
noch dort, morgen schon hier ist. Dann will ich mich dankbar an
Gottes Treue halten, die eben doch bleibt – auch wenn hier meine
Zeit zu Ende geht.
Fra' Georg Lengerke
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