Als gäbe es kein Morgen Lk 1,1-4; 4,14-21
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vor 2 Jahren
Es gibt zwei Weisen, zu leben „als gäbe es kein Morgen“.
Entweder, in dem jemand den jeweiligen Tag ganz auskostet und,
wie man so sagt, „ganz im Heute lebt“. Oder indem einer heute so
lebt, als hätte sein Leben keine Konsequenzen, und morgen den
anderen die Sauerei hinterlässt.
Jesus liest in der Synagoge seines Heimatortes aus dem Propheten
Jesaja vor. Die Stelle handelt vom Kommen des verheißenen
Messias, der ein neues Zeitalter heraufführen wird. Die Zuhörer
kennen die Stelle gut. Sie ist Ausdruck der ganzen Hoffnung
Israels: Einmal wird der kommen, der die Geschichte des Volkes
Gottes, jedes Einzelnen in ihm und die Geschichte der Welt wenden
wird.
Sein Kommentar dazu schlägt Wellen. Jesus sagt: „Heute hat sich
das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.“ Nach einem
Moment der Bewunderung kommt die Wut.
Das, worauf Ihr gewartet, gehofft und wonach Ihr Ausschau
gehalten habt, ist da. Heute. Hier. Jetzt.
Das hat Folgen für die Vergangenheit und die Zukunft. Ihr gehört
nicht mehr der Vergangenheit, nicht mit Eurem Verdienst, nicht
mit eurer Schuld, nicht als die Opfer, die ihr wart. Das
Entscheidende ist hier und heute da. Und es bleibt keine Zeit
mehr für Zögerlichkeit oder Aufschub, für Vorbereitung oder
Optimierung. Das Eigentliche kommt nicht erst morgen. Es gibt
kein Morgen!
Wer mit Jesus Christus kommuniziert, der lebt in dem Heute, von
dem er in der Synagoge von Nazareth spricht. Wer mit Jesus
verbunden ist, der ist dabei, wenn er sagt: Was Euch seit
Jahrtausenden verheißen wurde, das hat sich heute erfüllt.
Ich stelle mir vor, ich säße in der Synagoge von Nazareth. Ich
höre ihn von heute sprechen, von diesem 23. Januar 2022. Und ich
entscheide mich, in Gottes Heute zu leben. Natürlich gibt es ein
Gestern, eine Geschichte, einen Weg bis hierher. Aber diesem
Gestern muss ich mich heute stellen, wenn ich nicht Sklave meiner
Geschichte und meiner Schuld bleiben will. Und es gibt auch ein
Morgen, eine Zukunft und ein Ziel. Aber von diesem Morgen brauche
ich nicht mehr träumen und nichts mehr aufschieben bis dann.
Denn das Morgen Gottes hat heute schon begonnen. Das Ziel des
Lebens ist mir in Jesus entgegengekommen, bis in diesen
Augenblick – als gäbe es kein Morgen.
Fra' Georg Lengerke
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