Episode 56: Warum läuft Herr R. Amok und der Neue Deutsche Film

Episode 56: Warum läuft Herr R. Amok und der Neue Deutsche Film

Es ist mal wieder Zeit für ein wenig Filmgeschichte: Wir beschäftigen uns mit dem Neuen Deutschen Film und Michael Fenglers Film “Warum läuft Herr R. Amok” aus dem Jahr 1970.
1 Stunde 18 Minuten
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Wir lieben Filme und wir lieben es, über Filme zu diskutieren. Die Sache ist nur, wir haben einen sehr unterschiedlichen Filmgeschmack. Daher drückt jeder von uns dem jeweils anderen für die aktuelle Episode einen neuen Film aufs Auge mit dem Ziel, des...

Beschreibung

vor 2 Jahren
Es ist mal wieder Zeit für ein wenig Filmgeschichte. Und zwar
deutsche Filmgeschichte… Wenn man an die Höhepunkte dieser denkt,
kommt einem natürlich als erstes die Stummfilmzeit in den Sinn: Die
Weimarer Republik, die goldenen 20er Jahre, der Expressionismus,
Metropolis, Nosferatu… und dann war lange Zeit nichts. Eine
reichhaltige Filmwelt, zerstört vom nationalsozialistischen Wahn,
eine propagandistische Filmwelt, im zweiten Weltkrieg in den
Untergang geritten. Und danach Weltflucht, Eskapismus: Ein wenig
Sissi, ein wenig Heimatfilm, ein paar Heinz Rühmann Komödien… Es
sollte einige Jahrzehnte dauern, bis es im deutschen Film wieder so
etwas wie Aufbruchsstimmung herrschte. 1962 veröffentlichten 26
Filmemacher das Oberhausener Manifest und sorgten damit für die
Geburt des Neuen Deutschen Films. Sein Ziel war es, unabhängig von
der alten Filmwirtschaft und deren Interessenverbänden zu sein, er
sollte Experimentierfeld werden und soziale und politische
Konflikte realistisch darstellen. Realismus ist auch eine der
Triebfedern von Michael Fenglers Film “Warum läuft Herr R. Amok”,
der mit seiner Veröffentlichung 1970 in eine Hochphase des Neuen
Deutschen Films fällt. Erzählt wird aus dem Alltag von Herrn Raab,
immer begleitet von der titelgebenden Frage, wie es denn zu seinem
Amoklauf kommen konnte. Was wir sehen, sind Banalitäten,
Alltägliches, Triviales, in dem sich peu à peu der Abgrund des
kleinbürgerlichen Lebens offenbart. Und so haben wir es hier auch
letzten Endes weniger mit einer Sozialstudie, als viel mehr mit
einem Horrorfilm zu tun: Unterdrückte Wut, passive Aggressivität,
verschleppte Angst und Verzweiflung. Warum läuft Herr R. Amok ist
ein Zerrbild der bürgerlichen Hölle. Ein verbitterter, zynischer,
fast schon bösartiger Film, der mit einem unglaublichen Gespür für
Details den Wahnsinn und die Ausweglosigkeit des alltäglichen
Lebens eines deutschen Spießbürgers aufdeckt. Für mich auch heute
noch, 50 Jahre nach seiner Entstehung, einer der besten deutschen
Filme. Schwer zu ertragen, schmerzhaft, unfassbar unheimlich und
brutal, ein Film voller Gewalt, obwohl der eigentliche Amoklauf
gerade einmal ein paar Sekunden der Leinwandzeit einnimmt. Wie hast
du das empfunden, Johannes? Und denkst du, mit Blick auf diesen
Stellvertreter, dass der neue deutsche Film uns auch heute noch
etwas geben kann?

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