"Fotografie lügt immer"

"Fotografie lügt immer"

Ludwig Wittgenstein - Fotografie als analytische Praxis
27 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren
Zwei Kinder stehen einander zugewandt im Park. Klein sind die
Fotos, auf denen die Brüder Ludwig und Paul abgebildet sind.
Fotografiert wurden sie im Park der Ferienvilla, der Familie
Wittgenstein, in Neuwaldegg. Jahre später wird Ludwig beim
Klavierspiel seines Bruders das Haus verlassen und der bereits vom
Einsatz im 1. Weltkrieg gezeichnete Paul, wird eifersüchtig auf
Ludwigs Kampfgeist sein. Doch das ist eine Geschichte für einen
anderen Podcast. In dieser Folge geht es um die Ausstellung im
Wiener Leopoldmuseum mit dem Titel „Ludwig Wittgenstein: Fotografie
als analytische Praxis“. Sie ist bis 27. März 2022 zu sehen.
Kuratiert haben sie die Kunsthistorikerin, Kustodin der Egon
Schiele Sammlung und Leiterin der wissenschaftlichen Abteilung des
Leopold Museums, Verena Gamper und der Künstler Gregor Schmoll. Er
zitiert den Satz aus Ludwig Wittgensteins Aufzeichnungen, dass es
die Wahrheit sei, dass Fotografie immer lüge. Der Satz zieht sich
durch die gesamte Ausstellung. Bereits im ersten Raum ist man mit
ihm konfrontiert. In einer Vitrine liegt das berühmte
Kompositporträt der Geschwister Wittgenstein. Nur wenige Zentimeter
groß, gibt es Anlass zu vielen Spekulationen. „Ich tue ja nichts
als das gleiche, sprich selbe Gesicht immer wieder und wieder
portraitieren“ notierte der Philosoph Wittgenstein 1931 und
inszenierte das Selbstporträt nach der sogenannten Galtonschen
Photographie mit Gesichtern seiner Geschwister. Das ist eine
Methode der fotografischen Synthese von Gesichtern, zum Zweck einer
Typologisierung, die der britische Wissenschaftler Francis Galton
in den 1870er Jahren entwickelt hat. An den Wänden des Raumes mit
dem Kompositporträt hängen großformatige Fotografien von Katharina
Sieverding, Thomas Ruff und anderen. Allesamt verschwommene
Gesichter, überblendete Porträts, Phantombilder. Fotokünstlerinnen
und Künstler, ab der Konzeptkunst, sind hier ausgestellt. Ganz
bewusst haben Verena Gamper und Gregor Schmoll bei ihrer Auswahl
auf Zeitgenossinnen und Zeitgenossen Wittgensteins verzichtet. 43
zeitgenössische Künsterlinnen und Künstler treten mit Ludwig
Wittgensteins fotografischer Praxis in den Dialog. Unter ihnen
Olafur Eliasson, Gerhard Richter, Cindy Shermann, Andy Warhol,
Peter Weibel, Otto Zitko, Heimo Zobernig und Peter Handke. Ohne auf
Wittgenstein´s Äußerungen über Fotografie Bezug zu nehmen, werden
in motivisch wie thematisch gefassten Resonanzräumen, strukturelle
Analogien offengelegt. Sie sollen den analytischen Charakter des
fotografischen Œuvre Wittgensteins beleuchten und den Blick auf die
zeitgenössischen Kunstwerke schärfen. Bisher weitgehend unbekannt,
ist ein Foto der Villa Toscana im gleichnamigen Toscanapark in
Gmunden. Dort hat Margarethe Stonborough-Wittgenstein, mit ihrem
Mann Jerome Stonborough, gelebt. 1913 hatte das Paar, das Anwesen
gekauft. Das Erbe nach dem Tod ihres Vaters Klar Wittenstein
ermöglichte ihr den Kauf. 1923 trennte sich das Ehepaar Stonborough
– Wittgenstein. Der gemeinsamen Kinder wegen verbrachten sie aber
auch nach der Trennung gemeinsame Urlaube in ihrer Sommerresidenz
auf der Halbinsel Toskana in Gmunden. 1938 nahm sich Jerome
Stonborough in der Villa das Leben. Das Podcastfoto zeigt den Blick
vom Ufer des Toscanaparkes zum See Schloss Orth. Erbaut wurde
dieses vom einstigen Besitzer der Halbinsel Toskana, Erzherzog
Johann Salvator, aus dem Hause Österreich-Toskana; spätere Johann
Orth genannt. Im Herbst 2021 habe ich das Foto aufgenommen. Könnte
es nicht ein auch Gemälde von Claude Monet sein, denke ich, ein
Bild mit Steinen im See oder sind es Blätter im Wasser? Wie sagte
doch Ludwig Wittgenstein? „Die Wahrheit ist, die Fotografie lügt
immer“. Foto: (c) Elisabeth J. Nöstlinger-Jochum

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