Next Book Please: Die wichtigsten Neuerscheinungen

Next Book Please: Die wichtigsten Neuerscheinungen

Abendblatt-Redakteur Thomas Andre und Literaturhaus-Chef Rainer Moritz besprechen aktuelle Bestseller.
35 Minuten
Podcast
Podcaster
Der Literaturpodcast von Hamburger Abendblatt und dem Literaturhaus Hamburg

Beschreibung

vor 4 Jahren
Der Brexit treibt auch Schriftstellerinnen und Schriftsteller um,
und manche ganz besonders. Ian McEwan zum Beispiel so sehr, dass er
jetzt, so ist zu vermuten, ziemlich fix eine Novelle aus der Hüfte
geschossen hat. Sie trägt den Titel „Kakerlaken“ und ist das zweite
Buch des englischen Bestsellerautors in diesem Jahr nach dem Roman
„Maschinen wie ich“ im Sommer. Ziemlich deutlich zitiert McEwan
Kafkas „Verwandlung“, wenn er, natürlich, gleich zu Anfang eine
Kakerlake aus dem Houses of Parliaments nach einer folgenschweren
Mutation als Premierminister aufwachen lässt – mit rotblondem Haar.
Auch andere Regierungsmitglieder, das stellt die verwandelte
Kakerlake bei der ersten Kabinettssitzung fest, stammen aus der
Kanalisation. Der Premier hängt der Wirtschaftsidee des
Reversalismus an, und die klingt reichlich grotesk: Man zahlt für
seine Arbeit und wird für seine Einkäufe bezahlt. Die Briten wollen
künftig so agieren, weltweit als einzige. Wie gesagt: grotesk. Und
fast so irrlichternd, als wolle man die EU verlassen. Auch „Herbst“
handelt vom Brexit McEwan hat also eine derbe, die Wirklichkeit
maximal zur Kenntlichkeit entstellende Satire geschrieben, in der
es etliche uns wohlbekannte Bezüge zur Gegenwart gibt. Ob die
gelungen ist, besprechen Literaturhaus-Chef Rainer Moritz und
Abendblatt-Redakteur Thomas Andre in der neuen Folge von Next Book
Please. Auch vom Brexit, derweil nur am Rande, handelt Alis Smiths
Roman „Herbst“. Dieser ist der erste von vier Teilen eines
Jahreszeiten-Zyklus und auch der erste, der auf Deutsch erscheint.
Der Brexit taucht in diesem feinen, eleganten und eigenwilligen
Werk nur am Rande auf; eigentlich geht es mit den beiden
Hauptfiguren Elisabeth, einer jungen Literaturwissenschaftlerin,
und Daniel Gluck, einem 101-Jährigen, um den Dialog zwischen den
Generationen, über Liebe und Freundschaft, das Vergehen der Zeit
und die Unwahrscheinlichkeit von zwischenmenschlichen Verbindungen.
Und es geht um die feministische Pop-Art der Sechzigerjahre und die
Künstlerin Pauline Boty. Das hier, das ist auch ein Buch über
Kunst. Revisionismus bei Steffen Kopetzky? Ebenfalls besprochen
wird diesmal „Was man sät“, das Romandebüt der Niederländerin
Marike Lucas Rijneveld. Als der Sohn einer strenggläubigen
Bauernfamilie stirbt, tritt bei allen Familienmitgliedern ein
Trauma zutage. Über den Verlust wird kaum gesprochen, und auch die
zwölfjährige Jas muss mit der Erfahrung allein fertig werden.
Rijneveld schreibt sprachlich dicht über das erschwerte
Erwachsenwerden des Mädchens, das seinen Sexualtrieb entdeckt und
sich gleichzeitig in dunklen Fantasiewelten verliert. Eine
Entdeckung, sind sich die beiden Literatur-Podcaster einig. Der
letzte diesmal behandelte Titel ist Steffen Kopetzkys „Propaganda“,
der zur Gattung des Antikriegsromans gehört. Sein Held John Glueck
findet sich als deutschstämmiger Amerikaner im Zweiten Weltkrieg im
Hürtgenwald wieder. Dort wurde eine der letzten großen, für die
Amerikaner enorm verlustreichen Schlachten geschlagen. Der gerechte
Kampf der Amerikaner gegen Nazi-Deutschland ist das Gegenstück zum
Vietnamkrieg, gegen den John Glueck später zu Felde zieht.
„Propaganda“ ist unter anderem eine Hommage an die amerikanische
Literatur: Auch, weil Bukowski, Salinger und besonders Hemingway
ihre Auftritte haben. Dem Roman wurden Revisionismus und
Verherrlichung der Wehrmacht vorgeworfen. Was es damit auf sich
hat, wird in dieser Podcastfolge erörtert.

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15
:
: