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Beschreibung
vor 1 Jahr
Ich habe mal ein Foto gesehen - von einem in perfekter
Sitzhaltung meditierenden Zen-Meister. Ich weiß nicht: Das hat
irgendwie mein Leben verändert.
Was mit Meditieren gemeint ist
Heute ist ein guter Tag. Der Sommer neigt sich seinem Ende zu. Es
ist nicht mehr so drückend heiß. Die Erde kann sich etwas
erholen. So empfinde ich das. Die Erde - unsere Erde. Wir machen
uns keine oder viel zu wenig Gedanken darüber, was diese Erde für
uns ist. Wir trampeln auf ihr herum und plündern sie aus. Die
Menschen - das sind wir - die Menschen sind ein gedankenloses
Geschlecht. Wie die anderen Tiere aber auch. Das ist zumindest
mein Eindruck. Ich mache einen Spaziergang, das heißt ich habe
gerade nichts Besonderes zu besorgen und laufe einfach so herum.
Nein, einfach so auch wieder nicht. Ich habe schon etwas zu
besorgen. Ich möchte mit mir und meinem Denken und Tun ins Reine
kommen. Deshalb habe ich mich auf den Weg gemacht. Ich habe mich
auf diesen Weg begeben. Dieser Weg - die alten Chinesen nannten
es schon vor über 2500 Jahren das Dao. Das Dao ist der Weg. Mein
Weg. Dein Weg. Unser Weg. Der Weg von allem Seienden. Im Leben
eines einzelnen Menschen kommt viel darauf an, den eigenen Weg zu
finden, zu verstehen und letztlich zu gehen. Für die Daoisten
bestand Weisheit vor allem darin, im Einklang mit diesem Dao zu
leben - und zu sein. Das Dao ist auch der eigene Weg. Im Einklang
mit dem eigenen Weg leben und sein. Das ist keine geringe Übung.
Diese Anforderung führt mich geradewegs zur Frage: "Was bin ich?"
Oder: "Wer bin ich?" Das sind eigentlich zwei unterschiedliche
Fragen, die aber dasselbe Thema umkreisen. Das Ich ist nur eine
Vokabel. Diese Ich-Vokabel suggeriert etwas Bleibendes, ein
bleibendes Ich-Zentrum im Strom der vielen Eindrücke und
Erfahrungen. Und tatsächlich gibt es ein solches Zentrum, nur ist
es auch wieder nicht von Dauer. Nicht von ewiger Dauer. Falls du
so etwas gehofft haben solltest, muss auch ich dich enttäuschen.
Das Ich wird ebenfalls vergehen. Irgendwann. Vielleicht schon
bald. Wie grundsätzlich alles im Leben. Das Ich - es war auch
nicht schon immer da. Das Ich ist im Laufe deiner persönlichen
Entwicklung erst entstanden - plötzlich konntest du dich selbst
als ein Ich ansprechen. Was aber warst du, bevor du "Ich" sagen
konntest? Du warst ebenfalls etwas. Ein Tropfen im Ozean. Ein
Teilchen. Ein Partikel. Dein Ich - mein Ich - unser aller Ich ist
nicht so entscheidend. Wenn wir uns zum Meditieren hinsetzen,
fangen wir früher oder später an, dieses Ich zu studieren. Wer
bin ich? Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Das Entscheidende und
auch Interessante ist aber, dass wir auf diese Fragen keine
Antworten erhalten. Sondern das Ich löst sich langsam auf. Das
kann etwas dauern - mitunter ein paar Jahre oder Jahrzehnte. Aber
es löst sich auf. Das Ich löst sich unweigerlich auf. Warum? Weil
es an sich keine Substanz hat. Das Ich ist etwas, das ich bewusst
oder unbewusst setze. Die Kopula. Ich setze das Ich, um meine
vielen und vielfältigen Erfahrungen auf etwas beziehen zu können.
Wenn ich sage, dass es keine Substanz hat und sich auflösen wird,
dann heißt das nicht, dass wir uns als Menschen in Dunst auflösen
werden. Du brauchst diesbezüglich keine Angst zu haben, dass du
beim Meditieren einfach verschwinden wirst. Aber was heißt
Meditieren? Der Begriff "Meditieren" steht auch nur für das
Nachdenken, für das Nachsinnen und Nachforschen über das eigene
Leben. Und das eigene Leben ist gleichzeitig das allgemeine
Leben. Unser gemeinsames Leben. Kein Mensch, kein Tier und keine
Pflanze lebt nur für sich allein. Wenn ich über mein Ich
nachdenke, komme ich unweigerlich auf alles andere um mich herum
zu sprechen. Die Luft, die ich einatme. Das Wasser, das ich
trinke. Die Nahrung, die ich aufnehme. Der Boden, auf dem ich
mich bewege. Der Himmel über mir, den ich durchfliegen kann - in
Gedanken oder mit einem Flugzeug. Wenn ich das Außen wegnehmen
würde, könnte ich keine zehn Minuten überleben. Daher sollten wir
eigentlich unser Außen, unsere sogenannte Umwelt sorgsam und
ehrfurchtsvoll behandeln. Tun wir das? Nun, diese Frage
beantwortet sich von selbst. Ein nicht unbeträchtlicher Teil
unserer Zeitgenossen macht sich keine Gedanken über das Leben auf
dieser Erde. Wie kostbar diese Erde ist! Was alles zusammen
kommen musste, dass sich auf der Erde überhaupt Leben entwickeln
konnte! Was für ein kostbares und seltenes Geschenk das Leben als
Mensch auf dieser Erde darstellt! Wenn wir uns das
vergegenwärtigen, kann uns diese nackte Tatsache bereits umhauen.
Aber was machen wir - also die Menschen allgemein, zu denen auch
du und ich gehören? Wir führen Kriege. Wir führen Kriege
gegeneinander und gegen die Natur. Ja, das ist richtig, wir
kämpfen sogar gegen die Natur. Wir plündern diese Natur aus - wir
bezeichnen das als Kultivieren und Rohstoffe-gewinnen. Wir bohren
tiefe Stollen in die Berge, wir leiten Flüsse um und verschmutzen
dieselben. Wir führen Giftstoffe in unsere Gewässer und lassen
die Fische sterben. Weil wir Metalle und Erze und alles Mögliche
gewinnen wollen. Wir bauen Obst und Getreide an und setzen Mittel
ein, um unsere landwirtschaftlichen Erträge zu steigern. Das
heißt wir setzen Düngemittel auf der einen Seite und Pestizide
auf der anderen Seite ein. Wenn unsere Regierungen eines der
Mittel verbieten, weil die negativen Auswirkungen auf die
Gesundheit der Menschen doch allzu greifbar sind, dann suchen wir
- also diesmal unsere Landwirte - andere Mittel, die noch nicht
erforscht und verboten sind. Und wir protestieren gegen eine
Regierung, die uns scheinbar alles vorschreiben und verbieten
will. Wir - die Menschen, also auch du und ich - wir sehen nicht
ein, dass wir einen Krieg gegen die Natur führen und eigentlich
doch froh sein könnten, wenn uns jemand, in diesem Fall unsere
eigene Regierung in die Schranken weist. Wir halten unsere eigene
persönliche Freiheit für das Maß der Dinge und begehren gegen
alles auf, was uns in die Quere kommen könnte. Das führt aber
wohin? Ins Verderben. Wir wären nicht die erste Hochkultur auf
dieser Erde, die aufgrund ihrer eigenen Hybris untergegangen ist.
Weil die Menschen, die vielen einzelnen Menschen, ihren
persönlichen Vorteil und Profit über das allgemeine Leben
gestellt haben. Das hat auch etwas mit dem Dao, mit dem Weg des
Lebens auf dieser Erde zu tun. Wenn wir Krieg gegen die Natur
führen, verlassen wir unseren eigenen Weg und leben nicht im
Einklang mit dem Dao. Das Dao ist keine spirituelle Monstranz von
ein paar durchgeknallten Spinnern. Das Dao ist einfach die Art
und Weise, wie sich die Dinge in dieser Welt verhalten. Unser
Profitstreben, unsere Sucht nach Luxus und Wohlstand und Glück
ist lediglich der Versuch, unser eigenes Ich über alles andere zu
stellen. Das wird nicht funktionieren. Denn so verhalten sich die
Dinge einfach nicht. Unser eigenes Ich, das wir selbst irgendwann
gesetzt haben, um unsere vielen Eindrücke und Erfahrungen auf
etwas beziehen zu können, unser eigenes Ich will sich die Erde
untertan machen. Aber die Erde lässt sich nicht untertan machen.
Das ist ein Missverständnis. Ein grobes Missverständnis. Ich kann
verstehen, dass auch du Momente erlebst, in denen du deine eigene
Kraft spürst und glaubst, alles schaffen zu können. Aber das sind
immer nur einzelne Augenblicke der Verblendung. Denn genau
genommen können wir Menschen aus uns selbst heraus nur sehr wenig
ausrichten. Was wir haben und was wir sind, das verdanken wir
einerseits unseren Vorfahren, die in vielen hundert und tausend
Jahren etwas aufgebaut und entwickelt haben, das wir heute als
unsere Kultur bezeichnen dürfen. Und andererseits verdanken wir
unser Leben und alle anderen Anlagen und Fähigkeiten eben diesem
Leben selbst - einer großen Unbekannten, über die wir nichts
weiter sagen können. Ich kenne viele Menschen, die schon lange
realisiert haben, dass wir in einem großen Kontext stehen und uns
auch entsprechend verhalten sollten. Dieser Kontext wird in den
großen religiösen Traditionen angesprochen. Und das ist auch ein
Anliegen der Meditation. Der recht verstandenen Meditation. Es
geht beim Meditieren nicht um Entspannung und Wohlbefinden. Nicht
nur. Es geht nicht darum, meine eigene Persönlichkeit immer
weiter zu optimieren. Es geht um etwas viel Grundlegenderes. Um
das Nachhausekommen. Um das Ankommen im Sein. Wenn ich im Sein
ankomme, dann löst sich mein Ich von selbst auf. Das Ich löst
sich aber nicht etwa in einem negativen Sinne auf. Überhaupt
nicht. Auch das ist wieder ein Missverständnis. Dieses Auflösen
des eigenen Ichs setzt vielmehr Heiterkeit frei. Eine unbändige
Heiterkeit. Ich fühle mich befreit von den tausenderlei
Zumutungen des Ichs und unserer Ich-Kultur. Ich muss keinen
besonderen Erfolg mehr haben, weil jeder Erfolg immer nur auf dem
Strom des allgemeinen Lebens schwimmt, wie ein Blatt, das vom
Baum herunter gefallenen ist. Wenn ich angekommen bin, kann ich
über mich selbst, über uns, über unser megalomanes Streben nach
Herrschaft und Perfektion lachen. Dann verstehe ich, warum dieses
Leben auch eine Komödie ist - ein Komödie trotz all des
unsäglichen Leids, das letztlich auch wieder nur die Menschen
selbst verursachen. Vielleicht eine bittere Komödie. Entscheidend
ist, dass ich einen Schritt beiseite trete und nicht mehr alles
einfach mitmache. Dass ich angemessen würdige, was bereits ist.
Dass ich mich entsprechend verhalte. Respektvoll. Und mit Liebe.
Dass ich anderen helfe und mich entsprechend ausrichte. Das ist
letztlich mit Meditieren gemeint.
Man muss auch nicht immer über Zen sprechen, um Zen zu
praktizieren. Das ist eine Einsicht, zu der ich auch irgendwann
gekommen bin.
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