Smalltalk bleibt Smalltalk

Smalltalk bleibt Smalltalk

6 Minuten
Podcast
Podcaster
Ich mache Sachen. Leben, Arbeit, Inspiration, halbwegs regelmäßig gesammelt.

Beschreibung

vor 2 Jahren

Ich weiß gar nicht, wie ich einsteigen soll. Es war viel los und
ist weiterhin viel los und deswegen bin ich auch eine
Woche viel zu spät dran. Das kommt davon, wenn man sich
selbst Veröffentlichungszeiten setzt, die sonst niemand verlangt.


Ich war mit Doro und einem von zwei Kindern auf der Bits und
Bäume Konferenz an der TU Berlin. Ich war zuvor schon ewig nicht
mehr auf Konferenzen, einerseits dank Corona, andererseits weil
ich nur ungern auf die meisten Konferenzen gehe. Eigentlich mag
ich nur den Congress – und auf den müssen wir ja leider noch ein
weiteres Jahr warten.


Bits und Bäume ist so ein ganz kleines bisschen wie der Congress.
Viel Orga kommt aus einem ähnlichen Dunstkreis, die Infrastruktur
(Engelsystem, VOC, media.ccc.de) ist einfach exakt das gleiche
(das selbe? Seitdem ein paar Sprachpedanten auf dieser
Formulierung rumgehackt haben, bin ich erstens verunsichert und
zweitens nicht willens, es zu lernen.) Auf der Bits und Bäume
fühlt sich alles so an, als sei es mit Enthusiasmus und
Idealismus aufgebaut. Kommerzielle Interessen findet man fast gar
nicht. Das gefällt mir sehr.


Nun war ich allerdings mit eins von zwei Kindern da. Dank
Kinderbetreuung nebst eingerichteten Raum war der Aufenthalt sehr
angenehm, jedoch habe ich fast keine Talks live sehen können.
Manchmal hatte ich einfach Pech und der Speaker war krank und kam
nicht. Andere Male wollte ich den Livestream gucken, aber weil es
kein brauchbares WLAN gab, kam dieser nicht zustande. Naja. Ich
hab dann später noch ein paar Talks geguckt.


Ohne jetzt zu tief ins Detail gehen zu wollen, möchte ich zwei
Talks empfehlen: der erste dreht sich um die Möglichkeiten
der digitalen Planwirtschaft als Alternative zur
Marktwirtschaft und der zweite fordert provokant, dass wir
damit aufhören sollten, Bäume zu pflanzen. Der
Planwirtschaftstalk hat viele interessante theoretische Ansätze
aufgezeigt, die ich so noch nicht kannte und der Bäume-Talk hat
vieles aufgezeigt, was ich schon mal diffus gehört hatte, aber
nie so fokussiert erlebt habe. Beide Talks lohnen sich mal
anzuschauen.


Es gab natürlich noch sehr viel mehr, aber da rund ein Dutzend
Tracks parallel liefen, war es unmöglich, da mitzuhalten. Schaut
Euch einfach mal die Aufzeichnungsliste an und klickt
hier und da mal rein.


Ich freue mich jetzt jedenfalls umso mehr auf den richtigen,
echten Congress in Hamburg dieses Jahr. Der Call for
Participation ist gerade raus und ich hätte Bock was zu
präsentieren – ich weiß nur noch nicht was.


Direkt nach der Bits und Bäume ging es los mit dem neuen Job und
nach knapp zwei Wochen kann ich jetzt schon sagen: Ich hab
wirklich Spaß dabei. Anspruch, Anforderungen und Aufmerksamkeit
finden hier auf einem für mich ganz neuen Level statt und ich
liebe es. Aber später dazu mehr.


Aus dem Internet


In Zeiten von schlechten Nachrichten gibt es eine Sammlung an
News, die mich unendlich glücklich macht: Selbst die
Entwickler:innen, die das Metaverse bei Facebook Meta
bauen, haben keinen Bock mehr auf das Metaverse. Sagt zumindest
eine interne Quelle zu The Verge. Die, die das Metaverse
nutzen, haben nach spätestens einem Monat keinen Bock mehr.
Money quote: “Only nine per cent of worlds built by creators are
ever visited by more than 50 people." Selbst Schauspieler Jordan
Peele schafft es nicht, einen Menschen zu spielen, der vom
Metaverse begeistert ist. Laut Insidern sei das Metaverse
verbuggt und langsam, und es mache keinen Spaß es zu benutzen.
Als Sofortmaßnahme werden jetzt die Meta-Manager dazu angehalten,
die Kolleg:innen dazu zu zwingen, regelmäßig Zeit im Metaverse zu
verbringen, um sich "darin zu verlieben." Man könnte mir gar
nicht genug zahlen, um das mitzumachen.


Diese Nachricht lies mich aber nicht ausschließlich schadenfroh
zurück. Auch ich habe während der Pandemie versucht, analoge
Interaktion digital abzubilden. Wir
haben wonder.me und workadventure ausprobiert,
um in kleinen Gruppen soziale Interaktionen auch in einem Remote
Setup zu ermöglichen. Die ersten Momente waren toll, es war
spannend, mal was neues auszuprobieren. Wir liefen so über die
Karte, fingen Gespräche an und beendeten sie wieder indem wir
weiterliefen.


Doch sehr schnell wurde diese zusätzliche Interaktionsebene
ermüdend. Nur um ein Gespräch zu beginnen, mussten wir unsere
Avatare durch mal mehr oder weniger hübsche Welt schieben. Als
Belohnung öffnete sich ein ruckeliger Jitsi-Call. Und worüber
redeten wir dann? Übers Wetter, über die spannende neue Umgebung
und darüber, wie nervig es doch war, immer zuhause zu sitzen.
Small Talk bleibt unerträglich, auch wenn er im Metaverse
stattfindet. Ich würde sogar behaupten, dass Small Talk in einer
gefakten virtuellen Umgebung noch schlimmer ist, als in
einem durchschnittlichen Büro.


Es gibt eigentlich nur eine Form des digitalen Hangouts, der mich
nicht nach einer halben Stunde schreiend zurück lässt. Und das
ist Discord. All die Gamification findet bei Discord in den Games
statt, die man währenddessen benutzt. Discord selbst ist aufs
Wichtigste fokussiert: der unkomplizierte Austausch mit anderen.
In unterschiedlichen Räumen kann ich mich spontan ein- und
ausklinken. Und wenn ich gar nicht reden will oder kann, dann
nutze ich den Text Chat. Ich glaube, die ganze Spielerei rund um
die Gespräche, egal ob 2D oder VR, ist mittelfristig nur
hinderlich. Was ich will, ist eine gut verständliche
Unterhaltung. Dazu brauche ich keine animierten Avatare, keine 3D
Nachbildung eines Konferenzsaales und keine Bewegungssteuerung.
Ich brauche an beiden Enden ein brauchbares Mikrofon und
schnelles Internet. Bei Discord hilft natürlich auch, dass
Gamer:innen Gamerheadsets tragen und die klingen besser als die
eingebauten Mikrofone in den Dell-Büchsen der typischen
Kolleg:innen. Vielleicht sollte Meta anstatt aufs Metaverse
lieber auf gute Mikrofonierung der Menschheit setzen. Das kostet
wahrscheinlich weniger als die 10 Milliarden, die Meta im
Metaverse versenkt hat.


Das war's dann für dieses Mal, nächstes Mal auch wieder ein
bisschen mehr Wissenschaft und so. Versprochen!


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