Klaus Theweleit, Gespräch. Episode 13
1 Stunde 5 Minuten
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Beschreibung
vor 2 Jahren
„mein ‚Ich‘ ist überhaupt nichts Gewagtes! ich stelle es
lediglich mit aller Sorgfalt dar! … mit tausend
Vorsichtsmaßnahmen! … ich bedecke es stets vollständig und auf
die behutsamste Art und Weise mit Scheiße!“
Das schrieb Louis-Ferdinand Céline in seinem schmalen Buch
„Gespräche mit Professor Y“. Ein Band, der noch am ehesten als so
etwas wie eine Poetologie durchgehen könnte.
2021 ist „Tod auf Raten“, die Neuübersetzung von „Mort a credit“
erschienen. Hinrich Schmidt-Henkel hat erstmals den zweiten Roman
von Céline vollständig übersetzt. Die erste Übersetzung, unter
dem Titel „Tod auf Kredit“ war deutlich schmaler. Zuerst ist der
Roman 1936 herausgekommen, vier Jahre nach dem Debüt „Reise ans
Ende der Nacht“, mit dem Céline damals schlagartig berühmt
geworden ist. So hat niemand zuvor die französische Sprache auf
Touren gebracht. Mit dem zweiten Buch lieferte Céline nun einen
stark autofiktionalen Roman hinterher, der von Kindheit und
Jugend seines Alter Ego Ferdinand erzählt. Nur ein Jahr später
veröffentlichte Céline die erste seiner extrem antisemitischen
Hetzschriften, die „Bagatelles pour un massacre“.
Grund genug, der Frage - wie wird man Nazi - auf den Grund zu
gehen.
Diese Frage hat maßgeblich das Werk des deutschen
Kulturtheoretikers Klaus Theweleit bewegt, der in diesen Tagen 80
Jahre alt wird. 1977/78 erschien seine bahnbrechende, monumentale
Untersuchung „Männerphantasien“ über die Entstehung des
faschistischen Mannes. Als Theweleit 2021 den Adorno-Preise
erhielt, sagte er in seiner Preisrede, dass ihn schon früh, aus
den Erfahrungen in seiner eigenen Familie heraus, die Frage
bewegt hat: „wie kann man Deutscher sein?“
Die Frage nach dem Nazi-Werden, nach der Dynamik von Kunst- und
Machtpol, vor allem in der Literatur, hat Theweleit dann von 1988
an in seinem nächsten großen Werk untersucht, dem auf vier Bände
angelegten „Buch der Könige“. Darin geht es im Gottfried Benn,
Ezra Pound, Knut Hamsun, Franz Kafka, Sigmund Freud und viele
andere mehr. „Eh man sich dazu äußert,“ schreibt Theweleit
einmal, „was eine Figur wie Benn gesucht, gewollt und gemacht hat
am Nazi-Pol, muss man beschreiben, zwischen welchen Polen sie
sich sonst bewegte, beschreiben, wo und was diese waren um 1930,
beschreiben, was der Kunst-Pol ist, was man da macht, was man
dazu braucht, sich dort aufhalten zu können“. Der vierte Band
sollte sich hauptsächlich mit Louis-Ferdinand Céline
beschäftigen. Diesen Band wird es nicht mehr geben. Also habe ich
für diese letzte Folge in „Ränder. Theorien der Literatur“
versucht, im Gespräch mit Klaus Theweleit wesentliche Punkte
seiner langjährigen Auseinandersetzung mit Céline aufzusuchen.
Wir haben über Kotze und Scheiße ebenso gesprochen, wie darüber,
was Frauen wie Astrid Lindgren, Patricia Highsmith oder Else
Lasker-Schüler anders gemacht haben als all diese Männer.
Das war die letzte Episode der zweiten Staffel. Ob es weitergeht,
ist momentan noch nicht zu sagen.
Gerade ist die erste Staffel dieser Vorlesung als Buch
erschienen: „Theorien der Literatur“ im Universitätsverlag
Hildesheim, als erster Band von „Theorie & Praxis“, der neuen
Schriftenreihe des Literaturinstituts Hildesheim. Überall im
Buchhandel erhältlich, 222 Seiten für 10 Euro. Die
kostenlose elektronische Fassung dieses Bandes findet sich
hier.
Ich bedanke mich bei allen meinen Gesprächspartner:innen, die
diese Vorlesung, diesen Podcast überhaupt erst ermöglicht haben.
Bei: Clemens Setz, Karosh Taha, Rasha Khayat, Ulf Stolterfoht,
Katerina Poladjan, Abdalrahman ALqalaq, Shida Bazyar, Nava
Ebrahimi, Georg Klein, Olga Grjasnowa, Mithu Sanyal, Dagmara
Kraus, Khesrau Behroz und Klaus Theweleit.
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