#150 Die Nerven - Europa
8 Minuten
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Beschreibung
vor 1 Jahr
Für mich ist das selbstbetitelte Album Die Nerven eins der besten
Alben im Jahr 2022 und der Song „Europa“ lässt mich für lange
Zeit nicht los, wenn ich ihn gehört habe.
Europa bedeutet hier: Luxus, Dekadenz, das gute materielle Leben,
das viele Menschen als etwas verdientes selbstverständliches
nehmen, es ist aber nur da, weil es dadurch das gute Leben an
anderen Stellen der Welt eben nicht gibt. Die Nerven fordern uns
auf unsere Elfenbeintürme zu verlassen, aus dem eigenen
`Es-sich-gut-gehen-lassen´ die Realitäten zu erkennen.
Mit Putins Krieg ist das alles auf einmal noch greifbarer und
noch dringlicher.
„Lernen aus den Fehlern / lernen aus dem Leid“ heißt es im Song,
bis der bezeichnende Satz kommt: „Und ich dachte irgendwie, in
Europa stirbt man nie“. Und dann kommt ein dunkles Klanggewitter.
Das passt ja nicht nur zum Krieg, das passt zu vielen der
Proteste, die wir jetzt gerade an unterschiedlichen Orten
erleben, vieles passt einfach nicht mehr bei uns - Geld und
Wohlstand, die Marktwirtschaft als Kompass, das alles hält unsere
Gesellschaft nicht mehr zusammen.
Die Nerven wirken mit ihrem Sound und ihren Texten wie die
Zeitansage eines Protest-Propheten wie Amos.
„Und ich dachte irgendwie, in Europa stirbt man nie“.
Im Song „Europa“ wird der Tod thematisiert, der auf einmal ganz
nah an uns herangerückt ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass
das Nachdenken über den Tod Lebenskraft geben kann. In einer
Zeit, in der so viele Sicherheiten zerbröseln, in der es immer
schwerer wird, Halt und Sicherheit zu finden, können Gedanken an
den Tod den Blick für das Leben neu öffnen. Denn der Blick auf
den Tod macht mir klar, wie begrenzt meine Zeit ist. Und warum
muss ich diese begrenzte Zeit dazu verwenden schlechte Dinge zu
tun.
„Bedenke, dass du stirbst, auf dass du klug werdest.“ (Psalm
90,12)
Für mich bedeutet dieser Vers in Beziehung zu sein und auch nach
Fehlern immer wieder an Beziehungen anzuknüpfen. Die Beziehung
zum Mitmenschen und damit die Liebe, die man sich gegenseitig
schenken kann, stehen bei diesem „klug sein“ im Mittelpunkt und
lassen uns erkennen, was im Leben letztlich zählt. Und schön,
wenn wir uns diese Erkenntnis unser ganzes Leben hindurch
bewahren können.
Ganz einfach zusammengefasst mit einem Deeskalationssatz aus dem
Epheserbrief „Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen“
(Epheser 4,26)
Songtexte werden von Tobias gelesen
Die Interviewstellen von Julian
Foto Lucia Berlanga
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