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Beschreibung
vor 1 Jahr
Der Mann verheddert sich in der Pressekonferenz. Er verliest eine
Erklärung und im komplizierten Amtsdeutsch weiß er selber nicht so
genau, was er da sagt. Man soll, wie immer damals, Anträge stellen
dürfen und Genehmigungen erhalten. Irgendwas mit ständig und immer.
Aber ein italienischer Journalist hakt nach und will Näheres
wissen. Ab wann diese Regelung gelten soll und ob auch für Berlin?
Er wühlt in seinen Zetteln und Unterlagen und stammelt: "Nach
meiner Kenntnis sofort, unverzüglich." Es war ein Versehen, ein
Versprecher, ein, in der Bedrängnis der Konferenz nicht richtig
gelesener Zettel. Aber welche Auswirkung! Als erstes bringt die
britische Nachrichtenagentur Reuters die Nachricht, dann die
Tagesschau, dann das heute-journal und die Tagesthemen. Und dann
sind sich die Leute sicher und strömen zur Grenze. Zu den
hermetisch verschlossenen Grenzübergangsstellen in Berlin und an
der Westgrenze. Die Grenzpolizei hat keine Order, keinen Befehl und
weiß nicht, was sie machen soll. Und dann, kurz vor Mitternacht,
gibt ein hochrangiger Offizier an der Bornholmer Straße dem Druck
der Massen nach. Er holt nicht sein Maschinengewehr und gibt keinen
Schießbefehl. Er öffnet den Schlagbaum und das Tor und die Menschen
fluten das unerreichbare, das eigene, das bisher geteilte Land. Ein
Versprecher gibt das Startsignal und sechs Wochen später ist die
alte Diktatur in sich zusammengebrochen und Neues kann entstehen.
Für mich, die ich in der DDR groß geworden bin und alles hautnah
erlebt habe, ist der Held dieses Abends er: der Offizier in der
Bornholmer Straße. Er hat sich nicht hinter seinem erlernten
Feindbild, seinen Befehlsstrukturen versteckt, sondern ist seinem
Herzen gefolgt oder seiner Vernunft oder seinen seit langem
gehegten Zweifeln am System; und hat das Tor geöffnet statt zu
schießen. Sagen wir nicht so leicht, ich als ein Einzelner kann da
nichts tun. O doch. Ich kann, immer. Er ist für mich der beste
Beweis. Und mir scheint, in diesen Tagen der Kriege in der Ukraine,
in Israel und noch weltweit, wird es immer wichtiger, dass wir
Einzelnen Flagge zeigen, uns gegen Hetze, Hass und Gewalt einsetzen
und uns nicht hinter der Masse verstecken.
Erklärung und im komplizierten Amtsdeutsch weiß er selber nicht so
genau, was er da sagt. Man soll, wie immer damals, Anträge stellen
dürfen und Genehmigungen erhalten. Irgendwas mit ständig und immer.
Aber ein italienischer Journalist hakt nach und will Näheres
wissen. Ab wann diese Regelung gelten soll und ob auch für Berlin?
Er wühlt in seinen Zetteln und Unterlagen und stammelt: "Nach
meiner Kenntnis sofort, unverzüglich." Es war ein Versehen, ein
Versprecher, ein, in der Bedrängnis der Konferenz nicht richtig
gelesener Zettel. Aber welche Auswirkung! Als erstes bringt die
britische Nachrichtenagentur Reuters die Nachricht, dann die
Tagesschau, dann das heute-journal und die Tagesthemen. Und dann
sind sich die Leute sicher und strömen zur Grenze. Zu den
hermetisch verschlossenen Grenzübergangsstellen in Berlin und an
der Westgrenze. Die Grenzpolizei hat keine Order, keinen Befehl und
weiß nicht, was sie machen soll. Und dann, kurz vor Mitternacht,
gibt ein hochrangiger Offizier an der Bornholmer Straße dem Druck
der Massen nach. Er holt nicht sein Maschinengewehr und gibt keinen
Schießbefehl. Er öffnet den Schlagbaum und das Tor und die Menschen
fluten das unerreichbare, das eigene, das bisher geteilte Land. Ein
Versprecher gibt das Startsignal und sechs Wochen später ist die
alte Diktatur in sich zusammengebrochen und Neues kann entstehen.
Für mich, die ich in der DDR groß geworden bin und alles hautnah
erlebt habe, ist der Held dieses Abends er: der Offizier in der
Bornholmer Straße. Er hat sich nicht hinter seinem erlernten
Feindbild, seinen Befehlsstrukturen versteckt, sondern ist seinem
Herzen gefolgt oder seiner Vernunft oder seinen seit langem
gehegten Zweifeln am System; und hat das Tor geöffnet statt zu
schießen. Sagen wir nicht so leicht, ich als ein Einzelner kann da
nichts tun. O doch. Ich kann, immer. Er ist für mich der beste
Beweis. Und mir scheint, in diesen Tagen der Kriege in der Ukraine,
in Israel und noch weltweit, wird es immer wichtiger, dass wir
Einzelnen Flagge zeigen, uns gegen Hetze, Hass und Gewalt einsetzen
und uns nicht hinter der Masse verstecken.
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