War früher alles besser?

War früher alles besser?

War früher alles besser?
3 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr
Bei Familienfesten habe ich immer mit Begeisterung den Omas und
Opas und Tanten und Onkeln zugehört, wenn sie von vorherigen Zeiten
erzählt haben. V on den Familiengeschehnissen, von Krieg und
Nachkriegszeit, von Aufbau und Neubeginn, von Kindern und Enkeln
und strengen Lehrern und Lehrmeistern. Und am Ende kommt immer
diese tolle Erkenntnis, dass es harte Zeiten waren, aber auch
schön. Und aus diesen Erzählungen kommt immer die Gelassenheit, die
sehr alte Menschen ausmacht: wir haben schon so viel geschafft und
ausgehalten, wir haben soviel schon ertragen und getragen, und das
was jetzt kommt, das schaffen wir auch. Das hat nichts mit
Verklärung zu tun und dem "früher war alles besser". Es hat damit
zu tun, dass es in der Zeit, wo es geschieht oft schwer und kaum zu
ertragen und fast über die Kräfte geht. Aber in der Rückschau
versteht man plötzlich, wie gut sich alles gefügt und gewendet hat
und wieviel Hilfe die Familie, die Nachbarn, das Dorf, die Gemeinde
gegeben hat. So ähnlich geht es mir in meiner Ordensgemeinschaft.
Wenn wir, wie zur Zeit, im Provinzkapitel versammelt sind, ist
immer auch Zeit, den Weg der Gemeinschaft seit der Gründung vor 160
Jahren nachzuerzählen. Und ich spüre immer dieselbe Verblüffung:
wie aus kleinen Anfängen mit drei jungen Frauen ein Riesenwerk
entstanden ist, das durch Kulturkampf und Vertreibung, durch 2
Kriege und die spanische Grippe, die Zwischen- und Nachkriegszeit,
die deutsche Teilung und das vatikanische Konzil, die
Wiedervereinigung und so weiter und so weiter gegangen ist. Und
immer wieder haben sich Menschen gerufen gefühlt, diesen Weg des
Christseins zu gehen und vor Gott und für die Menschen zu leben.
Und wenn ich die ganz alten Schwestern frage, wie das alles zu
schaffen war, dann kommt oft das eigene Erstaunen durch: "ja, mit
Gottes Hilfe, mit seinem Geist, mit der Hilfe meiner Schwestern" so
ungefähr wie: ich weiß nicht so genau. Es hat sich gefügt. Ein
Steinchen des Mosaiks hat ans andere gepasst und im Nachhinein
sieht man das große Werk, und weiß nicht, wie es geworden ist. Ich
finde das wunderbar entlastend. Ich brauche heute nur tun was dran
ist, dass dann mit viel Liebe und Engagement tun und dann im
Vertrauen leben, dass Gottes Geist es richten wird, zum Wohl der
Menschen und zur Ehre Gottes.

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