Mehr als die Abwesenheit von Lärm

Mehr als die Abwesenheit von Lärm

Mehr als die Abwesenheit von Lärm
4 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr
Am vergangenen Sonntag habe ich so 10 Minuten vor Beginn der
Heiligen Messe in der Bank gesessen. Hinter mir saßen ein paar
Mädchen, die sich sehr leise unterhalten haben. Und dann hat eine
der beiden fast halblaut und ein bisschen genervt gesagt: "Das ist
die Scheiße in so einer Kirche: dass es immer so still ist und man
sich nicht richtig unterhalten kann." Ich war belustigt, verblüfft,
verärgert, verwundert. Aber ich habe nichts erwidert. Und am
Abend waren wir mit vielen hundert Menschen wieder in der Kirche zu
einem Konzert der ganz anderen Art. Der Titel hieß "13 Minuten im
Frühling – Stille", Musik von einem Komponisten aus Olpe,
Aufführung mit dem Orchester der Feuerwehr, Ansprache des
Bürgermeisters zu Beginn, ein zehnminütiger Film zum Anlass,
Zeitzeugenstimmen nachgesprochen und dann die Musik. Der Anlass war
die Erinnerung an die Bombardierung Olpes am 28. März 1945. Und die
Musik war anders und alles andere als still. Zuerst rauschend,
munter fröhlich, an den Beginn der dreißiger Jahre erinnernd, dann
immer wieder marschmusikalische dröhnende Trommelklänge und ein
immer bedrängender werdender Rhythmus und immer dunkler werdender
Klang. Auch ohne die Texte und den Vorspann und den Anlass zu
kennen, konnte man die dunklen Vorahnungen kommenden Unglücks und
dröhnender Stiefel hören und dann die Flieger und die Bomben
förmlich heranpfeifen hören. Und manchmal bin ich hochgeschreckt
und war so erschrocken von der Gewalt des Klanges. Und dann war
Stille – ganz lange Stille. Jede und jeder hatte Bilder vor Augen
vom Krieg, von der Zerstörung, von der nachfolgenden Not und vom
"Nie wieder, bitte nie wieder." Zweimal also etwas von Stille –
morgens die ziemlich despektierliche Bemerkung des jungen Mädchens
zur lästigen Stille und abends die unaussprechliche Stille nach
einem unglaublichen Klangerlebnis und der Fülle des Abends. Stille
ist mehr als die Abwesenheit von Lärm, mehr als die Abwesenheit von
Gedanken, mehr als die Mühe des Konzentrierens. Wenn Dein Mund
ist stille, dann spricht Dein Herz, wenn dein Herz ist stille, dann
spricht Gott.

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