Aufstand in Nahost – erneuter Auftakt zum Zerfall einer Weltmacht? | Von Wolfgang Effenberger

Aufstand in Nahost – erneuter Auftakt zum Zerfall einer Weltmacht? | Von Wolfgang Effenberger

12 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Ein Kommentar von Wolfgang Effenberger.


107 Jahre nach dem arabischen Aufstand (1916-1918) gegen die
damaligen osmanischen Besatzer ist ein weiterer bewaffneter
Aufstand der Araber ausgebrochen – dieses Mal gegen die
israelische Besatzung. Der Aufstand von 1916 war von
Großbritannien zu einem Zeitpunkt gesteuert, als sich die
Niederlage der herrschenden osmanischen Türken bereits
abzeichnete, das verbündete Deutschland aber noch hoffte, einen
tragfähigen Frieden aushandeln zu können.(1) Könnte sich vor der
sich abzeichnenden Niederlage der Vereinigten Staaten und
der NATO im Ukraine-Krieg die Geschichte wiederholen?


Bei genauerem Hinsehen wird klar, dass die heutige Situation
bewusst durch eine menschenverachtende Geopolitik herbeigeführt
wurde.


Am 16. Mai 1916 unterzeichneten der britische Außenminister
Edward Grey und der französische Botschafter in London, Paul
Cambon, eine geheime Vereinbarung (Sykes-Picot), „die wie keine
andere in der Neuzeit die Geschichte des Nahen Ostens prägen und
beeinflussen sollte“.(2)


Nicht nur das – sie beeinflusste auch den weiteren Verlauf des
Ersten Weltkriegs entscheidend.


Das zeigt ein Blick in die "lntimen Papiere"(3) des Beraters von
US-Präsident Woodrow Wilson, Colonel Mandell House. Einen Tag
nach der Unterzeichnung schrieb er an seinen Präsidenten:


„... es war offensichtlich, dass nach der Beseitigung unserer
Probleme mit Deutschland die Schwierigkeiten mit der Entente
beginnen wurden, und die Auflösung hat mir Kopfschmerzen
bereitet. Je mehr ich von Absprachen der Regierungen
untereinander weiß, umso mehr beeindruckt mich ihre hässliche
Selbstsucht. Großzügigkeit ist etwas völlig Unbekanntes, und
alles, was wir für die Entente getan haben, wird über Nacht
vergessen sein, wenn wir jetzt auf Konfrontationskurs gehen.“(4)


House kabelte an Grey und warnte ihn, „dass im Fall einer
Zurückweisung des amerikanischen Angebots [Vermittlung bei
Friedensverhandlungen und materielle Unterstützung, W. E.]
seitens der Entente die Vereinigten Staaten ihre Neutralität
schützen müssten … Er bestand nicht darauf, dass sofort eine
Konferenz einberufen würde, wenn die Entente an einen Durchbruch
durch militärischen Erfolg während des Sommers glaubte.“(5) Am
23. Mai 1916 schrieb House an Grey: „England und Frankreich
scheinen zu denken, dass die Zusammenarbeit, zu der Amerika in
einer gerechten Lösung der ärgerlichen Fragen, die sich
unweigerlich nach dem Frieden ergeben, bereit ist, den
zweifelhaften Vorteil, den sie bei einer Zerschlagung
Deutschlands gewinnen würden, nicht aufwiegt.“(6)


Vier Tage später machte House Sir Edward Grey auf die Aussage des
deutschen Kanzlers aufmerksam, „dass Deutschland auf der
Grundlage der Karte, wie sie aktuell aussieht, zum Frieden bereit
wäre, das hieße nichts anderes als ein siegreicher Frieden für
Deutschland“(7). Greys Antwort fiel zurückhaltend aus. Colonel
House wandte sich nun noch einmal an den französischen
Botschafter Jean Jules Jusserand.


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