#34 Der Sinn des Lebens auch im Alter mit Christian Uhle
1 Stunde 34 Minuten
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Beschreibung
vor 2 Jahren
Heute mal kein Interview, sondern ein Gespräch über den
Sinn des Lebens!
Heute wollen wir über den Sinn des Lebens
sprechen. Dazu habe ich Christian Uhle eingeladen. Denn er hat
gerade ein Buch darüber geschrieben, mit dem Titel „Wozu
das alles?: Eine philosophische Reise zum Sinn des
Lebens“. Herzlich willkommen Christian.
Wir beide haben uns im Vorgespräch vorgenommen, mehr ein Gespräch
als ein Interview zu führen. Ich glaube, das entspricht ganz
deinem Verständnis einer tiefen Begegnung und einem hoffentlich
echten Dialog und das hat ja auch viel mit einem sinnvollen Leben
zu tun, wie wir vielleicht noch hören werden. Und spannend finde
ich auch, dass hier zwei Generationen über den Sinn sprechen, du
bist 31 Jahre alt und ich gerade 60 geworden.
Wieso habe ich dich eingeladen? So seit ich ungefähr 50 geworden
bin, haben mich mehr und mehr mit Fragen nach dem Sinn des Lebens
beschäftigt und dies hat jetzt, mit meiner Auseinandersetzung mit
dem Älterwerden – auch im Rahmen meines Podcasts noch mal
deutlich zugenommen.
Du sprichst von vier zentralen Auslösern für
Sinnkrisen – also Phasen, in denen uns der Sinn
abhandenkommt - und diese sollen auch der Rahmen für unser
Gespräch sein. Dies sind Zweck- und Ziellosigkeit,
Gleichgültigkeit, Getrenntheit und Entfremdung und
Vergänglichkeit. Gerade im Kontext von
Übergängen oder Transformationen, die Menschen
zu durchleben haben, kann es zu Dysbalancen und damit zu
Sinnkrisen kommen. Und der Übergang in die dritte Lebensphase
bietet allerlei Herausforderungen, wenn es um die Frage nach dem
Sinn des Lebens geht. Eine spannende Zahl aus deinem Buch:
„69 Prozent aller Menschen in Deutschland stellen sich
regelmäßig Sinnfragen des Lebens.[4]
"Nicht immer geschieht das auf so dramatische Weise, wie es manch
existenzialistische Abhandlung vermuten lässt – im Gegenteil: Die
Sehnsucht nach Sinn kann einfach ein konstruktiver Wunsch nach
mehr Orientierung und Tiefe im Leben sein, nach Verbundenheit und
Antwort, ein Wunsch, sich für etwas Lohnenswertes
einzusetzen.“
Zweck – und Ziellosigkeit
„Die Frage: Wozu bin ich hier?, stellen Menschen nicht aus
Wissensdurst, sondern weil sie Orientierung suchen. Die Hoffnung
ist, einen Kompass an die Hand zu bekommen. Die Sinnfrage stellt
sich in Momenten von Ziellosigkeit, wenn alles vergeblich und
unwichtig erscheint. Worauf sollen wir unsere Energie richten? An
welchen Leitsternen, an welchen Zielen sollen wir unser Leben
ausrichten? Was ist wirklich wichtig? – Dies sind die
eigentlichen Fragen nach einem zweckhaften Sinn.“
Arbeit fällt weg, welcher Zweck, welches Ziel tritt an
diese Stelle?
Was kann das „Wozu oder Wofür“ in der dritten Lebensphase
sein?
„Die Antwort klingt simpel, aber ist im Grunde radikal: Nur für
andere Lebewesen kann unser Handeln einen Sinn haben. Entweder
wir tun, was uns selbst glücklich macht, oder wir tun, was gut
für andere ist, und erfüllen einen zweckhaften Sinn. Alles
Weitere ist sinnlos.“
Bezug zu den beiden Podcasts mit Gerald Hüther und zu
Alternsforscher Hans Werner Wahl.
„Die Fürsorge um andere Menschen kann unserem
Leben einen tragfähigen Sinn geben, der uns
Orientierung bietet und unser eigenes Leben bereichert. Ihm
entspringen Gründe zu leben: weil es etwas Wichtiges zu tun
gibt.“
Gleichgültigkeit
Für mich ein schwieriges Gefühl, ich möchte weder mir
selbst gegenüber ein Gefühl der Gleichgültigkeit haben, noch dass
andere sich mir gegenüber gleichgültig verhalten. Wodurch erlange
ich Bedeutsamkeit? Durch Arbeit, durch Beziehung zu anderen
Menschen, vielleicht dadurch, dass sich diesen Podcast mache. Wie
erhalte ich mir beim Älterwerden eine Art
Bedeutsamkeit?
„Dass Menschen ein Gefühl von Bedeutsamkeit brauchen, um
ihr Leben als sinnvoll zu erfahren, ist eine Kernaussage der
Sinnforschung. [1] Wie aber können wir Bedeutsamkeit
erfahren?
Nur unsere Mitmenschen können uns Bedeutung beimessen, nur sie
können uns sehen und bejahen.
"Zwischen ich und du – nicht allein im Herzen, sondern in
gelebten Beziehungen erwächst Bedeutsamkeit und Sinn. Diese Sicht
wird auch durch psychologische Studien gestützt. Für die
allermeisten Menschen sind enge Beziehungen die wichtigste
Sinnquelle im Leben. [3] Umgekehrt kämpfen vor allem Personen mit
Sinnkrisen, die das Gefühl haben, von anderen unerwünscht zu
sein. [4]“
Philia – als besondere Form der Liebe, sie gilt anderen
Menschen in ihrer lebendigen Gesamtheit. – darauf will ich
setzen, weil ich glaube, dass die Beziehung und die Verbindung zu
Menschen bedeutungsvoll sind. Gerade gestern habe ich eine
Dokumentation über gemeinschaftliches Wohnen gesehen, wo es
jungen Menschen darum geht, ein ganz eigenes Lebenskonzept in
einer Gemeinschaft zu entwickeln und das auch mit einem
gesellschaftspolitischen Ansatz zu
verbinden.
„Dafür müssen wir uns öffnen und zeigen, müssen umgekehrt die
anderen und ihre Antworten wichtig nehmen, damit wir durch sie
Sinn erfahren. Eine solche Sinnbeziehung entsteht also immer
wechselseitig –, wenn wir uns dialogisch als du und ich
aufeinander einlassen. Besonders spürbar wird dieser dialogische
Sinn daher meist in Beziehungen zu nahestehenden Personen. Auch
er stellt einen Grund dar weiterzuleben: weil du anderen wichtig
bist. So entspringen die Suche nach Freundschaft und die Suche
nach Schicksal dem gleichen Grundbedürfnis: dem Bedürfnis nach
Antwort.“
„Dialog kann nur entstehen, wenn sich beide Seiten einander
öffnen, authentisch äußern, zuhören und sich berühren lassen.
Diese Vorstellung einer dialogischen Haltung ist verwandt mit
Erich Fromms Haltung des Seins, mit Martin Bubers
Ich-Du-Beziehung und mit Hartmut Rosas
Weltanverwandlung.
"All diese Konzepte betonen die Bereitschaft, sich zu verändern,
zu wachsen und den eigenen Standpunkt zu verlassen. Dafür
brauchen wir Empathie; die Fähigkeit, den eigenen Horizont zu
überschreiten und durch die Augen unseres Gegenübers zu
blicken.[2]"
"Und wir brauchen die Demut, unsere eigene Perspektive als eine
unter mehreren einzuordnen. Noch stärker als Agape
(Nächstenliebe) heißt Philia also teilnahmsvoll zu sein, an der
Innenwelt des anderen teilzunehmen, sich selbst mitzuteilen –
Welt zu teilen und gemeinsame Welt zu schaffen. So treten wir
heraus aus der inneren Isolation, gehen eine Verbindung ein.
Unsere Welt wächst. Gemeinsam sind wir weniger allein. In dieser
Verbundenheit entsteht etwas Neues."
"Ein Dialog ist mehr als nur die Summe von dir und mir. Er
entfaltet sich zwischen uns, gewinnt eine eigene Energie und
Lebendigkeit: Wir sprechen. Plötzlich entsteht eine neue Idee.
Kam sie von mir oder von dir? Keiner von uns wäre allein darauf
gekommen, aber im Gespräch liegt sie vor uns, ganz offensichtlich
und klar. Dialog ist eine Praxis des Miteinanders. Er ist eine
Bewegung aufeinander zu, er ist eine Kraft, die uns verändert. Im
Dialog schreiben wir einander Bedeutsamkeit zu, wir schaffen eine
Sinnbeziehung.“
Beziehungen werden im Alter weniger, da im Umfeld immer
mehr Menschen sterben. Mehrgenerationenfamilien gibt es immer
weniger. Wie sich in Beziehung setzen? Freundschaften über die
Generationen hinweg schließen. Wie gelingt es, dialogische und
teilnahmsvolle Begegnungen zu gestalten?
Es geht auch um die Entwicklung einer neuen Identität für
das eigene Älterwerden, da es so wenig Vorbilder gibt, weil wir
so lange leben, wie niemals zuvor – wir sind eine langlebige
Gesellschaft.
Getrenntheit und Entfremdung
„Wenn wir uns hingegen spürend auf die Welt einlassen, können wir
eine Verbindung erleben, die in Momenten der Entfremdung
abhandengekommen ist. Unsere Sinnlichkeit ermöglicht eine eigene
Form des Sinns: den leiblichen Sinn. Indem wir
diese Ebene stärken, verringern wir die Kluft und Entfremdung
zwischen Ich und Welt – und können in Flow-Momenten
möglicherweise sogar Einheit erfahren. Wie bei den anderen
Sinndimensionen gilt auch hier: Der leibliche Sinn ist ein Teil
der Antwort – aber kann nicht die Ganze sein.“
Das ist mir jetzt im Leben schon wichtig und wird mir im
Alter wahrscheinlich noch wichtiger werden, ein leiblicher Sinn…
Mich spüren, in der Natur sein, mich mit ihr in Verbindung
setzen…Das war für mich schon immer wichtig, meinen Körper und
mich zu spüren.
Meine Frau z.B. tanzt sehr gerne und spürt sich damit in
Verbindung mit sich und der Musik
„Wir sind und bleiben sprachliche Wesen. Darin könnte man auf den
ersten Blick ein Problem sehen, weil Sprache ein rein leibliches
Dasein verhindert. Aber das wäre zu kurz gedacht, die Frage ist
vielmehr: Wie können wir unsere Sprachlichkeit konstruktiv
nutzen, anstatt sie wie eine Trennscheibe zwischen uns und die
Welt zu legen? Können wir den Dingen mit unserem Verstand einen
Sinn abgewinnen, Zusammenhänge erkennen, uns mit ihnen vertraut
machen? Dies sind Fragen nach einem narrativen Sinn. Indem wir
die Welt um uns herum deuten, können wir uns darin sowohl
praktisch orientieren als auch emotional zu Hause fühlen –
verbunden und zugehörig. Ein solcher Sinn umfasst Weltdeutungen
genauso wie Selbstdeutungen. In beiden Facetten trägt ein
dialogisches Prinzip zum Gelingen bei."
"Wenn wir die Welt nicht allein deuten, sondern uns anderen
Perspektiven dialogisch öffnen, wird unser narrativer Sinn
vollständiger und tragfähiger. Wenn wir die Welt nicht permanent
zu kontrollieren versuchen, sie nicht allein durch den
rationalen, positivistischen Blick auf Distanz bringen, sondern
sie auch poetisch betrachten, entdecken wir einen Zauber und
empfinden Verbundenheit. Und wenn wir die Geschichten unseres
Ichs – unsere narrativen Identitäten – gemeinsam und dialogisch
entwickeln, dann entstehen Bande, in denen wir uns als
eigenständiges Subjekt erfahren und dennoch nicht isoliert
existieren.“
Vergänglichkeit
„Ob im Gilgamesch-Epos, der Thora, bei Shakespeare oder Tolstoi –
in unzähligen Variationen wurde die dunkle Botschaft formuliert:
Unser Leben ist kaum mehr als ein flüchtiger Wimpernschlag,
letztlich läuft alles auf nichts hinaus. Dieser Schmerz scheint
so alt zu sein wie die Menschheit selbst. Und klar, fraglos ist
unsere Sterblichkeit eine sehr traurige Sache. Aber warum sollte
deshalb gleich alles sinnlos sein?“
Die Endlichkeit kommt im Alter im näher und die Einladung
zur Auseinandersetzung nimmt zwangsläufig mit jeder neuen
Einschränkung, vielleicht auch mit jeder neuen Zipperlein oder
gar Krankheit zu. Bezug zum Podcast von Anselm Grün … Annehmen
und Loslassen ….
Fazit:
„Sinn liegt nicht jenseits des Menschen, sondern entsteht
zwischen Menschen, die sich auf Augenhöhe begegnen. Sinn liegt
nicht jenseits der sichtbaren Welt, sondern mitten in unserer
alltäglichen Lebenserfahrung. Insofern ist es auch eine
gemeinschaftliche, gesellschaftliche Aufgabe, ein sinnerfülltes
Leben für alle zu ermöglichen. Sinn und Selbstverwirklichung sind
keine rein privaten Angelegenheiten. Äußere Umstände können es
uns erleichtern oder erschweren, Haltungen einzuüben, die Sinn im
Leben geben.“
„Die Sehnsucht nach Sinn ist vor allem eine Sehnsucht, in
der Beziehung zu anderen Menschen aufgehoben zu sein, etwas zu
bewirken, gehört zu werden, geliebt zu werden, zugehörig zu sein,
etwas zu bedeuten. Als soziale und kooperative Spezies sind uns
diese Wünsche zeit- und kulturübergreifend angeboren. Kein
Wunder, immerhin gelangen wir nur durch andere überhaupt ins
Sein, bekommen am Anfang unseres Lebens Nahrung, erlernen die
Sprache, in der wir unsere Welt deuten wie auch uns selbst.
Gemeinsam können wir daran mitwirken, Sinn zu ermöglichen. Denn
falls es keine Götter gibt, die über uns wachen, sollten wir uns
gegenseitig umso stärker unterstützen.“
Anmerkung: Alle Texte in "Anführungszeichen" sind Zitate aus dem
Buch von Christian Uhle.
Eine Bitte an unsere Hörerinnen und Hörer:
Wir freuen uns über eine Bewertung unseres Podcasts. Holt für uns
die 5 Sterne vom Himmel und schreibt gerne, was euch besonders
gefällt.
Das schenkt noch mehr Menschen unsere Inhalte, da es durch das
bessere Ranking öfter vorgeschlagen wird. Herzlichen Dank.
Für mehr Informationen zum Thema "gelassen älter werden" gibt es
auf unserer Homepage ein Magazin zum Lesen. Hier der Link:
https://gelassen-aelter-werden.de/magazin-gelassen-aelter-werden/
Die Musik im Intro und Outro ist von Stefan Kissel und wurde von
Nico Lange gesprochen.
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