Journalismus für das Kanzleramt | Von Michael Meyen

Journalismus für das Kanzleramt | Von Michael Meyen

10 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Kai Diekmann blickt auf anderthalb Jahrzehnte Bildzeitung zurück
und sieht nicht, was schiefläuft in den Leitmedien.


Wir wissen längst, wie eng Spitzenpolitiker und
Spitzenjournalisten verbandelt sind. Wir wissen auch, dass die
Redaktionen sich inzwischen als Partner der Regierung sehen und
nicht als ihr Gegenspieler. Es ist trotzdem gut, das hin und
wieder schwarz auf weiß nachlesen zu können. Kai Diekmann ist ein
Zeitzeuge ersten Ranges. Er war von 1998 bis 2000 Chefredakteur
der Welt am Sonntag und stand von 2001 bis Anfang 2017 an der
Spitze der auflagenstärksten Tageszeitung Europas. „Ich war
BILD“, steht auf dem Cover seiner Autobiografie. Die Lektüre
lohnt sich selbst dann, wenn man diese Zeitung nie mochte.


Ein Kommentar von Michael Meyen.


Ich gebe zu: Ich mag solche Bücher. Jemand, der mittendrin war,
schreibt auf, wie die Nachwelt ihn sehen soll. Heldengeschichten,
natürlich. Trotzdem. Memoiren funktionieren nur, wenn man uns ein
wenig unter die Decke blicken lässt. Im letzten Absatz lobt Kai
Diekmann seine Frau, Katja Keßler, die Kolumnistin bei
der Bildzeitung war, als sich beide kennenlernten.
Seine „schärfste Lieblingskritikerin“ habe das Buch nicht nur
„ins Deutsche übersetzt“, sondern immer wieder gefragt: „Warum
muss man das jetzt lesen? Was erfahre ich hier, was nicht auch
bei Google stehen würde?“ (1).


Antwort eins: jede Menge. Ein Promi garantiert Absatz. Der Verlag
kann es sich folglich leisten, aus dem Vollen zu schöpfen. Viele
Dokumente, tolle Fotos. Diekmann, Diekmann, Diekmann. Irgendwie
haben es auch all die US-Präsidenten ins Bild geschafft,
Bundeskanzler, der Papst, Putin, Assad, Kollegen aus dem
Journalismus. Ich war BILD? Nein. Dieser Kai Diekmann war die
Welt. Man muss nur auf den Schreibtisch von Donald Trump schauen,
fotografiert im Januar 2017, kurz vor der Amtsübernahme im Weißen
Haus. Rechts der Besucher aus Deutschland und links ein
Politiker, der offenkundig froh ist, jemanden bei sich zu haben,
der das Chaos endlich ordnen hilft. Kai Diekmann sagt, dass Trump
nie wieder einer deutschen Zeitung ein Interview gegeben hat (2).
Er wird es wissen.


Das führt direkt zu meiner zweiten Antwort. Was erfährt der Leser
in diesem Buch? Was habe ich als Medienforscher gelernt? Am
wichtigsten ist ein Rätsel, das ich kurz zurückstelle, um
zunächst auf zwei Punkte hinzuweisen, die nicht ganz so
überraschend sind, aber mit den vielen Fotos zu tun haben und mit
der Idee von Journalismus, die dort eingefangen worden ist.
„Alles ist falsch an diesem Satz“, ruft Kai Diekmann dem toten
Hajo Friedrichs hinterher, dem
legendären Tagesthemen-Moderator, der ins kollektive
Gedächtnis seiner Zunft eingegangen ist mit dem Satz, dass sich
ein guter Journalist nicht gemeinmache mit einer Sache, auch
nicht mit einer guten. Soll er doch „in seinem Grab“ rotieren
„wie eine Turbine“, dieser Friedrichs. Ich, Kai Diekmann, wir,
die Bildzeitung, sind nicht „nur journalistische Beobachter,
sondern Akteure“.


Ich reiße das hier ein wenig aus dem Zusammenhang. Kontext ist
das, was in diesem Buch „Flüchtlingsherbst“ heißt (3), und der
Autor ist schlau genug, nicht nur in diesem Kapitel
Reflexionsschleifen und Fragezeichen einzubauen. Wer weiß, ob das
alles richtig war. Aber egal. Wir haben das eben so gemacht mit
der Willkommenskultur...


...weiterlesen hier:
https://apolut.net/journalismus-fuer-das-kanzleramt-von-michael-meyen


+++


Dieser Beitrag erschien zuerst am 09. Juni 2023 bei manova.news





Hosted on Acast. See acast.com/privacy for more information.

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15
:
: