Reise nach Jerusalem im Verteidigungsministerium | Von Ilona Pfeffer

Reise nach Jerusalem im Verteidigungsministerium | Von Ilona Pfeffer

15 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Nach anhaltender Kritik hat Bundesverteidigungsministerin
Christine Lambrecht (SPD) in einem Schreiben an Bundeskanzler
Olaf Scholz am Montag um ihre Entlassung gebeten. Was von
Amtsnachfolger Boris Pistorius zu erwarten ist, wird sich zeigen
müssen. War Lambrechts kurze Amtszeit tatsächlich so
katastrophal? Ist es um die Bundeswehr so schlecht bestellt, wie
suggeriert wird?


Ein Kommentar von Ilona Pfeffer.


Der Schleudersitz der Bundesregierung bekommt einen neuen
Piloten: Nach etwas mehr als einem Jahr übergibt Christine
Lambrecht das Amt an der Spitze des Verteidigungsministeriums an
den niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD). In
ihrem Schreiben an Bundeskanzler Olaf Scholz begründete die
SPD-Politikerin den Schritt mit dem anhaltenden Trubel um ihre
Person, der in der Berichterstattung eine sachliche Diskussion
über „Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und
sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der
Bürgerinnen und Bürger“ kaum noch zulasse. „Die wertvolle Arbeit
der Soldatinnen und Soldaten und der vielen motivierten Menschen
im Geschäftsbereich muss im Vordergrund stehen“, so Lambrecht.
„Ich habe mich deswegen entschieden, mein Amt zur Verfügung zu
stellen.“ 1)


Der negativen Schlagzeilen hat es für Lambrecht tatsächlich
zuhauf gegeben. Angefangen bei dem Truppenbesuch in Litauen, den
Lambrecht auf wenige Stunden abkürzte, um anschließend nach
Ischgl in den Skiurlaub zu fahren, über die Lieferung der 5000
Helme für die Ukraine statt der erhofften militärischen Hilfen,
die wiederholte Mitnahme ihres Sohnes auf Dienstreisen, darunter
ein Helikopterflug mit einer Maschine der Flugbereitschaft, den
vergessenen Namen des neben ihr stehenden Luftwaffenchefs Ingo
Gerhartz bei der Verkündung der Anschaffung von
F-35-Kampfflugzeugen und bis hin zu der unglücklichen
Videobotschaft, die die Ministerin vor dem Hintergrund des
Berliner Silvesterfeuerwerks aufgezeichnet hatte.2) Auch
politischen Gegenwind musste Lambrecht einstecken, vor allem aus
der Opposition. So warf Schleswig-Holsteins Ministerpräsident
Daniel Günther (CDU) der 57-Jährigen Fehleinschätzungen bei der
Vergabe von Aufträgen vor. Konkret ging es darum, welche
Unternehmen bei der Beschaffung von neuer Ausrüstung aus dem 100
Milliarden schweren Sondervermögen für die Bundeswehr beauftragt
werden sollten. Nach Einschätzung des CDU-Politikers hatte
Lambrecht deutsche Unternehmen hierbei unterschätzt. Wenn aber
derlei Aufträge an ausländische Rüstungsunternehmen gingen, würde
das auch die Folgeaufträge und etwaige Wartungsarbeiten
betreffen. Dieser Umstand wiederum würde die Bundesrepublik von
anderen Regierungen abhängig machen. „Bei der
Bundesverteidigungsministerin habe ich noch nicht das Gefühl,
dass dieses Thema bei ihr in guten Händen ist“, sagte Günther
gegenüber der Welt.3) Doch auch aus den Reihen der
Bundesregierung kam zuletzt deutliche Kritik. Laut einem Bericht
der Frankfurter Allgemeinen Zeitung soll das
Finanzministerium Lambrechts „komplizierte, teils intransparente
und inkonsequente Bedarfsplanung sowie bürokratische
Bestellprozesse“ moniert haben. In einem Schreiben an die
Verteidigungsministerin soll Finanzminister Christian Lindner
(FDP) unter anderem geäußert haben: „Ich muss feststellen, dass
Sie die hier angeführte Notwendigkeit der Munitionsbeschaffung
weder bei der Verhandlung zum Sondervermögen noch im Zuge des
parlamentarischen Verfahrens zum Ausdruck gebracht haben.“ 4)...


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