Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener zum Welttag der Suizidprävention am 10. September
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vor 7 Jahren
Zum Welttag der Suizidprävention Warum wollen Menschen sterben? Die
öffentliche Diskussion über Suizid wird in Deutschland von
Psychiatern dominiert. Diese wollen uns glauben machen, es gäbe
eine einfache Antwort auf die Frage, warum Menschen sich
suizidieren: Suizide seien zu 90% auf „psychische Erkrankungen“
zurückzuführen [1, 2]. Solche Rhetorik ist geeignet, Politiker
unter Zugzwang zu setzen und Geld für Einrichtungen, Modellprojekte
und Suizidforschung zu erpressen. Aussagen, die meisten Suizide
gingen auf „psychische Erkrankungen“ zurück, stützen sich auf so
genannte psychiatrische Autopsiestudien, bei denen rückblickend
versucht wird, bei durch Suizid Verstorbenen Symptome einer Störung
nachzuweisen [3]. Die Validität solcher rückwirkend gestellten
Diagnosen ist mehr als fraglich. Außerdem gehen Psychiater damit
der Frage aus dem Weg, welche konkrete Behandlung vor dem Suizid
stattgefunden hat und der Frage, warum der einzelne Mensch sich
getötet hat. Klar belegt ist, dass Menschen, die unter widrigen
Lebensumständen leiden, sich eher umbringen: Alter und Krankheit
[4, 5], Armut und soziale Zersplitterung [6, 7], Einsamkeit [8],
Marginalisierung und Diskriminierung [9, 10] erhöhen das
Suizidrisiko enorm. Antworten des Psychiatrischen Systems auf
Suizidalität Standardmäßig hat die stationäre Psychiatrie zwei
Strategien parat, um mit Suizidgedanken „umzugehen“: Erstens eine
fragliche Risikobeurteilung und zweitens das Einsperren. Der
Versuch, mittels einer Risikobeurteilung Suizide vorherzusagen, ist
zum Scheitern verurteilt. Selbst wenn man alle bekannten
Risikofaktoren gemeinsam berücksichtigt, ist es nicht möglich,
korrekt vorherzusagen, ob sich jemand umbringen wird [11]. Auch das
Einsperren ist keine evidenzbasierte Methode, um Suizide zu
verhindern: In Kliniken mit geschlossenen Stationen gibt es nicht
weniger Suizide als in Kliniken mit so genannter Open-Door-Policy
[12]. Gängige Praxis ist, dass als suizidgefährdet eingestufte
Menschen auf geschlossenen Stationen untergebracht werden, ohne
dass sie in ihrer Krise begleitet werden. Diese Praxis dient nicht
dem Schutz der Betroffenen, sondern der rechtlichen Absicherung der
Behandler: Es ist für sie unerheblich, ob der Patient/die Patientin
sich umbringt – solange diese Person dabei eingesperrt war, sind
die Behandler abgesichert. Die Menschen, die eingesperrt werden,
merken sehr gut, dass die Behandler nicht an ihnen und ihrem Leben
interessiert sind. Behandlungsbedingte Suizide Als
Betroffenenverband mit über 20jähriger Erfahrung in Selbsthilfe und
Beratung wissen wir, dass die auf psychiatrischen Stationen erlebte
körperliche und seelische Gewalt zur Selbsttötungsbereitschaft
beiträgt oder diese erst auslöst. Eine dänische Bevölkerungsstudie
[13] fand einen deutlichen Zusammenhang zwischen psychiatrischer
Behandlung und Suiziden: Personen, die Psychopharmaka einnahmen,
töten sich 6-mal so häufig wie nicht Behandelte. Personen, die
ambulant psychiatrisch behandelt wurden, töten sich 8-mal so häufig
wie nicht Behandelte. Personen, die einen stationären Aufenthalt
hinter sich haben, töten sich 44-mal so häufig wie nicht
Behandelte. Das zeigt, dass psychiatrische Maßnahmen mindestens
sehr schlecht darin sind, Suizide zu verhindern. Es wirft auch die
Frage auf, ob die Behandlung selbst Suizide verursacht.
Wissenschaftler haben bereits darauf hingewiesen, dass
psychiatrische Behandlung, insbesondere Hospitalisierung, Menschen
suizidal machen kann [14, 15]. Dafür spricht auch, dass Suizidraten
auf psychiatrischen Stationen extrem hoch sind und sich enorm
zwischen Einrichtungen unterscheiden [16]. Neben der in der
Psychiatrie erfahrenen Gewalt können auch die eingesetzten Pharmaka
zu Selbsttötungen beitragen. Das gilt sowohl für Antidepressiva als
auch für Neuroleptika. Suizid durch Antidepressiva Die Liste
dokumentierter Suizide unter Behandlung mit SSRI ist mittlerweile
unerschöpflich [17]. Für eine wissenschaftliche Beurteilung des
Suizidrisikos unter Antidepressiva stellt die Industrie allerdings
bis heute keine ausreichenden Daten zur Verfügung [18]. Das erhöhte
Suizidrisiko für Kinder und Jugendliche unter Antidepressiva wird
mittlerweile nicht mehr geleugnet [ebd.]. Ebenso geben Psychiater
heute zu, dass bei Erwachsenen zu Behandlungsbeginn Selbsttötungen
wahrscheinlicher werden – selbst bei Patienten, die vor der
Behandlung nicht suizidal waren [19]. Suizid durch Neuroleptika
Seit Einführung der Neuroleptika weisen Betroffene und Psychiater
darauf hin, dass diese, insbesondere in Depotform, depressiv machen
und Suizidgedanken auslösen können [20]. Ein Vergleich der
Suizidraten „schizophrener“ Patienten um 1900 und in den 1990er
Jahren zeigte, dass sich diese Menschen nach der Einführung der
Neuroleptika 20mal so häufig suizidieren [21]. Diese Entwicklung
ist umso drastischer vor dem Hintergrund, dass Menschen mit diesen
Substanzen zwangsbehandelt werden. Was hilft Menschen in suizidalen
Krisen? In Deutschland überleben jährlich mindestens 100.000
Menschen einen Suizidversuch [22]. Knapp 10% denken mindestens
einmal in ihrem Leben ernsthaft über Suizid nach [23]. Die
Erfahrungsexpertise dieser Millionen Menschen blieb bislang völlig
ungenutzt. Sie können am besten sagen, was in einer suizidalen
Krise hilfreich ist. Menschen werden suizidal, wenn ihr Leben
unerträglich ist und sie nicht die Hoffnung haben, etwas daran
ändern zu können [24]. Viele Überlebende von (chronischer)
Suizidalität berichten zurückblickend, dass ihnen am meisten
geholfen hat, wenn Freunde, HelferInnen zugehört und sie
unterstützt haben, ihr Leben attraktiver zu gestalten und zur
Neugier auf Neues zurückzufinden [25, 26]. Wichtig ist, dass
Menschen über ihre Suizidgedanken sprechen können. Wir brauchen
daher Räume, in denen dies möglich ist, ohne pathologisiert,
eingesperrt oder behandelt zu werden. Fünf Forderungen 1.
Einführung eines nationalen Suizidregisters, das vorangegangene
psychiatrische Behandlungen bis zu einem Jahr rückwirkend erfasst.
2. Auch psychiatrische Akutstationen sind grundsätzlich offen zu
führen. 3. PatientInnen und ihre Angehörigen sind über die
suizidfördernden Wirkungen von Psychopharmaka mündlich und
schriftlich aufzuklären. 4. Der Fokus von Suizidprävention muss
verschoben werden. Die Millionensummen, die für psychiatrische
Versorgung und Forschung ausgegeben werden, sind besser bei den
Betroffenen selbst aufgehoben und sollten dazu vor allem eingesetzt
werden, soziale Ungleichheit abzubauen. 5. Finanzielle und ideelle
Förderung nicht-medizinischer Projekte und Anlaufstellen,
insbesondere solchen, die von Betroffenen/Erfahrenen geleitet
werden. Anhang: Literatur 1 Stiftung Deutsche Depressionshilfe.
Depression und Suizidalität. Im Internet:
www.deutsche-depressionshilfe.de/stiftung/depression-und-suizidalitaet.php;
Stand: 7.3.2017 2 Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und
Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. Welttag der
Suizidprävention: Früherkennung psychischer Erkrankungen rettet
Menschenleben. Berlin; 2016 3 Cavanagh JT, Carson AJ, Sharpe M,
Lawrie SM. Psychological autopsy studies of suicide: A systematic
review. Psychological Medicine; DOI: 10.1017/S0033291702006943 4
Kaplan MS, McFarland BH, Huguet N, Newsom JT. Physical illness,
functional limitations, and suicide risk: A population-based study.
American Journal of Orthopsychiatry; DOI: 10.1037/0002 9432.77.1.56
5 Waern M, Rubenowitz E, Runeson B, Skoog I, Wilhelmson K, Allebeck
P. Burden of illness and suicide in elderly people: case-control
study. BMJ : British Medical Journal. 2002;324(7350):1355. 6
Whitley E, Gunnell D, Dorling D, Smith GD. Ecological study of
social fragmentation, poverty and suicide. BMJ : British Medical
Journal 1999: 319: 1034-1037. 7 Rehkopf DH, Buka SL. The
association between suicide and the socio-economic characteristics
of geographical arias: a systematic review. Psychological Medicine;
DOI:10.1017/S003329170500588 8 Stickley A, Koynagi A. Lonelyness,
common mental disorders and suicidal behaviors: Findings from a
general population survey. Journal of Affective Disorders. DOI:
10.1016/j.jad.2016.02.054 9 Shadick R, Backus Dagirmanjian F,
Barbot B. Suicide risk among college students: The intersection of
sexual orientation and race. Crisis 2015: 36(6): 416-423. 10
Farrelly S, Jeffery D, Rüsch N, Williams P, Thornicroft G, Clement
S. The link between mental health-related discrimination and
suicidality: Service user perspectives. Psychological Medicine.
DOI: 10.1017/S0033291714003158 11 Grahm GA, Reger MA. Army suicide
surveillance: A: In E. Ritchie (Hrsg.): Combat and Operational
Behavioral Health (pp.393-402) 12 Huber CG, Schneeberger AR,
Kowalinski E et al. Suicide risk and absconding in psychiatric
hospitals with and without open door policies: A 15 year,
observational study. The Lancet Psychiatry; DOI:
10.1016/S2215-0366(16)30168-7 13 Hjorthoj CR, Madsen T, Agerbo E et
al. Risk of suicide according to level of psychiatric treatment: a
nationwide nested case-control study. Social Psychiatry and
Psychiatric Epidemiology; DOI: 10.1007/s00127-014-0860-x 14 Large
MM, Ryan CJ. Disturbing findings about the risk of suicide and
psychiatric hospitals. Social Psychiatry and Psychiatric
Epidemiology; DOI: 10.1007/s00127-014-0912-2 15 Large M, Ryan C,
Walsh G et al. Nosocomial suicide. Australasian Psychiatry; DOI:
10.1177/1039856213511277 16 Walsh G, Sara G, Ryan CJ et al.
Meta-analysis of suicide rates among psychiatric in-patients. Acta
Psychiatrica Scandinavica; DOI: 10.1111/acps.12383 17 Meysenburg R,
Healy D. Sammlung von Zeitungsberichten über SSRI-assoziierte
Suizide und Gewalttaten. Im Internet:
ssristories.org/all-posts/; Stand: 12.08.2017 18 Sharma T, Guski
LS, Freund N et al. Suicidality and aggression during
antidepressant treatment: systematic review and meta-analyses based
on clinical study reports. British Medical Journal (Clinical
research ed.); DOI: 10.1136/bmj.i65 18 Benkert O, Hippius H.
Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie. 11 Aufl. Berlin:
Springer; 2017 20 Lehmann P. Behandlungsergebnis Selbsttötung.
Suizidalität als mögliche Wirkung psychiatrischer Psychopharmaka.
Im Internet:
www.antipsychiatrieverlag.de/artikel/gesundheit/suizid.htm;
Stand: 25.02.2017 21 Healy D, Harris M, Tranter R et al. Lifetime
suicide rates in treated schizophrenia: 1875-1924 and 1994-1998
cohorts compared. British Journal of Psychiatry 2006; 188: 223–228
22 Fiedler G. Kurzinformation über Suizidalität und Suizid.
Information des Nationalen Suizidpräventionsprogramms für
Deutschland, 2010-2015.
http://www.suizidpraevention-deutschland.de/informationen/kurzinfo-suizid.html
23 Nock MK, Borges G, Bromet EJ, Alonso J, Angermeyer M, Beautrais
A, …, Williams D. Cross-national prevalence and risk factors for
suicidal ideation, plans and attempts (Data Supplement). British
Journal of Psychiatry. DOI: 10.1192/bjp.bp.107.040113 24 Hall W.
Living with suicidal feelings. Scottish Recovery Network, 2013.
https://www.scottishrecovery.net/resource/living-with-suicidal-feelings/
25 Webb D. Thinking about suicide: contemplating and comprehending
the urge to die. 2. Aufl. Manchester: PCCS Books; 2013 26 Blauner
SR. How I Stayed Alive When My Brain Was Trying to Kill Me: One
Person's Guide to Suicide Prevention
öffentliche Diskussion über Suizid wird in Deutschland von
Psychiatern dominiert. Diese wollen uns glauben machen, es gäbe
eine einfache Antwort auf die Frage, warum Menschen sich
suizidieren: Suizide seien zu 90% auf „psychische Erkrankungen“
zurückzuführen [1, 2]. Solche Rhetorik ist geeignet, Politiker
unter Zugzwang zu setzen und Geld für Einrichtungen, Modellprojekte
und Suizidforschung zu erpressen. Aussagen, die meisten Suizide
gingen auf „psychische Erkrankungen“ zurück, stützen sich auf so
genannte psychiatrische Autopsiestudien, bei denen rückblickend
versucht wird, bei durch Suizid Verstorbenen Symptome einer Störung
nachzuweisen [3]. Die Validität solcher rückwirkend gestellten
Diagnosen ist mehr als fraglich. Außerdem gehen Psychiater damit
der Frage aus dem Weg, welche konkrete Behandlung vor dem Suizid
stattgefunden hat und der Frage, warum der einzelne Mensch sich
getötet hat. Klar belegt ist, dass Menschen, die unter widrigen
Lebensumständen leiden, sich eher umbringen: Alter und Krankheit
[4, 5], Armut und soziale Zersplitterung [6, 7], Einsamkeit [8],
Marginalisierung und Diskriminierung [9, 10] erhöhen das
Suizidrisiko enorm. Antworten des Psychiatrischen Systems auf
Suizidalität Standardmäßig hat die stationäre Psychiatrie zwei
Strategien parat, um mit Suizidgedanken „umzugehen“: Erstens eine
fragliche Risikobeurteilung und zweitens das Einsperren. Der
Versuch, mittels einer Risikobeurteilung Suizide vorherzusagen, ist
zum Scheitern verurteilt. Selbst wenn man alle bekannten
Risikofaktoren gemeinsam berücksichtigt, ist es nicht möglich,
korrekt vorherzusagen, ob sich jemand umbringen wird [11]. Auch das
Einsperren ist keine evidenzbasierte Methode, um Suizide zu
verhindern: In Kliniken mit geschlossenen Stationen gibt es nicht
weniger Suizide als in Kliniken mit so genannter Open-Door-Policy
[12]. Gängige Praxis ist, dass als suizidgefährdet eingestufte
Menschen auf geschlossenen Stationen untergebracht werden, ohne
dass sie in ihrer Krise begleitet werden. Diese Praxis dient nicht
dem Schutz der Betroffenen, sondern der rechtlichen Absicherung der
Behandler: Es ist für sie unerheblich, ob der Patient/die Patientin
sich umbringt – solange diese Person dabei eingesperrt war, sind
die Behandler abgesichert. Die Menschen, die eingesperrt werden,
merken sehr gut, dass die Behandler nicht an ihnen und ihrem Leben
interessiert sind. Behandlungsbedingte Suizide Als
Betroffenenverband mit über 20jähriger Erfahrung in Selbsthilfe und
Beratung wissen wir, dass die auf psychiatrischen Stationen erlebte
körperliche und seelische Gewalt zur Selbsttötungsbereitschaft
beiträgt oder diese erst auslöst. Eine dänische Bevölkerungsstudie
[13] fand einen deutlichen Zusammenhang zwischen psychiatrischer
Behandlung und Suiziden: Personen, die Psychopharmaka einnahmen,
töten sich 6-mal so häufig wie nicht Behandelte. Personen, die
ambulant psychiatrisch behandelt wurden, töten sich 8-mal so häufig
wie nicht Behandelte. Personen, die einen stationären Aufenthalt
hinter sich haben, töten sich 44-mal so häufig wie nicht
Behandelte. Das zeigt, dass psychiatrische Maßnahmen mindestens
sehr schlecht darin sind, Suizide zu verhindern. Es wirft auch die
Frage auf, ob die Behandlung selbst Suizide verursacht.
Wissenschaftler haben bereits darauf hingewiesen, dass
psychiatrische Behandlung, insbesondere Hospitalisierung, Menschen
suizidal machen kann [14, 15]. Dafür spricht auch, dass Suizidraten
auf psychiatrischen Stationen extrem hoch sind und sich enorm
zwischen Einrichtungen unterscheiden [16]. Neben der in der
Psychiatrie erfahrenen Gewalt können auch die eingesetzten Pharmaka
zu Selbsttötungen beitragen. Das gilt sowohl für Antidepressiva als
auch für Neuroleptika. Suizid durch Antidepressiva Die Liste
dokumentierter Suizide unter Behandlung mit SSRI ist mittlerweile
unerschöpflich [17]. Für eine wissenschaftliche Beurteilung des
Suizidrisikos unter Antidepressiva stellt die Industrie allerdings
bis heute keine ausreichenden Daten zur Verfügung [18]. Das erhöhte
Suizidrisiko für Kinder und Jugendliche unter Antidepressiva wird
mittlerweile nicht mehr geleugnet [ebd.]. Ebenso geben Psychiater
heute zu, dass bei Erwachsenen zu Behandlungsbeginn Selbsttötungen
wahrscheinlicher werden – selbst bei Patienten, die vor der
Behandlung nicht suizidal waren [19]. Suizid durch Neuroleptika
Seit Einführung der Neuroleptika weisen Betroffene und Psychiater
darauf hin, dass diese, insbesondere in Depotform, depressiv machen
und Suizidgedanken auslösen können [20]. Ein Vergleich der
Suizidraten „schizophrener“ Patienten um 1900 und in den 1990er
Jahren zeigte, dass sich diese Menschen nach der Einführung der
Neuroleptika 20mal so häufig suizidieren [21]. Diese Entwicklung
ist umso drastischer vor dem Hintergrund, dass Menschen mit diesen
Substanzen zwangsbehandelt werden. Was hilft Menschen in suizidalen
Krisen? In Deutschland überleben jährlich mindestens 100.000
Menschen einen Suizidversuch [22]. Knapp 10% denken mindestens
einmal in ihrem Leben ernsthaft über Suizid nach [23]. Die
Erfahrungsexpertise dieser Millionen Menschen blieb bislang völlig
ungenutzt. Sie können am besten sagen, was in einer suizidalen
Krise hilfreich ist. Menschen werden suizidal, wenn ihr Leben
unerträglich ist und sie nicht die Hoffnung haben, etwas daran
ändern zu können [24]. Viele Überlebende von (chronischer)
Suizidalität berichten zurückblickend, dass ihnen am meisten
geholfen hat, wenn Freunde, HelferInnen zugehört und sie
unterstützt haben, ihr Leben attraktiver zu gestalten und zur
Neugier auf Neues zurückzufinden [25, 26]. Wichtig ist, dass
Menschen über ihre Suizidgedanken sprechen können. Wir brauchen
daher Räume, in denen dies möglich ist, ohne pathologisiert,
eingesperrt oder behandelt zu werden. Fünf Forderungen 1.
Einführung eines nationalen Suizidregisters, das vorangegangene
psychiatrische Behandlungen bis zu einem Jahr rückwirkend erfasst.
2. Auch psychiatrische Akutstationen sind grundsätzlich offen zu
führen. 3. PatientInnen und ihre Angehörigen sind über die
suizidfördernden Wirkungen von Psychopharmaka mündlich und
schriftlich aufzuklären. 4. Der Fokus von Suizidprävention muss
verschoben werden. Die Millionensummen, die für psychiatrische
Versorgung und Forschung ausgegeben werden, sind besser bei den
Betroffenen selbst aufgehoben und sollten dazu vor allem eingesetzt
werden, soziale Ungleichheit abzubauen. 5. Finanzielle und ideelle
Förderung nicht-medizinischer Projekte und Anlaufstellen,
insbesondere solchen, die von Betroffenen/Erfahrenen geleitet
werden. Anhang: Literatur 1 Stiftung Deutsche Depressionshilfe.
Depression und Suizidalität. Im Internet:
www.deutsche-depressionshilfe.de/stiftung/depression-und-suizidalitaet.php;
Stand: 7.3.2017 2 Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und
Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. Welttag der
Suizidprävention: Früherkennung psychischer Erkrankungen rettet
Menschenleben. Berlin; 2016 3 Cavanagh JT, Carson AJ, Sharpe M,
Lawrie SM. Psychological autopsy studies of suicide: A systematic
review. Psychological Medicine; DOI: 10.1017/S0033291702006943 4
Kaplan MS, McFarland BH, Huguet N, Newsom JT. Physical illness,
functional limitations, and suicide risk: A population-based study.
American Journal of Orthopsychiatry; DOI: 10.1037/0002 9432.77.1.56
5 Waern M, Rubenowitz E, Runeson B, Skoog I, Wilhelmson K, Allebeck
P. Burden of illness and suicide in elderly people: case-control
study. BMJ : British Medical Journal. 2002;324(7350):1355. 6
Whitley E, Gunnell D, Dorling D, Smith GD. Ecological study of
social fragmentation, poverty and suicide. BMJ : British Medical
Journal 1999: 319: 1034-1037. 7 Rehkopf DH, Buka SL. The
association between suicide and the socio-economic characteristics
of geographical arias: a systematic review. Psychological Medicine;
DOI:10.1017/S003329170500588 8 Stickley A, Koynagi A. Lonelyness,
common mental disorders and suicidal behaviors: Findings from a
general population survey. Journal of Affective Disorders. DOI:
10.1016/j.jad.2016.02.054 9 Shadick R, Backus Dagirmanjian F,
Barbot B. Suicide risk among college students: The intersection of
sexual orientation and race. Crisis 2015: 36(6): 416-423. 10
Farrelly S, Jeffery D, Rüsch N, Williams P, Thornicroft G, Clement
S. The link between mental health-related discrimination and
suicidality: Service user perspectives. Psychological Medicine.
DOI: 10.1017/S0033291714003158 11 Grahm GA, Reger MA. Army suicide
surveillance: A: In E. Ritchie (Hrsg.): Combat and Operational
Behavioral Health (pp.393-402) 12 Huber CG, Schneeberger AR,
Kowalinski E et al. Suicide risk and absconding in psychiatric
hospitals with and without open door policies: A 15 year,
observational study. The Lancet Psychiatry; DOI:
10.1016/S2215-0366(16)30168-7 13 Hjorthoj CR, Madsen T, Agerbo E et
al. Risk of suicide according to level of psychiatric treatment: a
nationwide nested case-control study. Social Psychiatry and
Psychiatric Epidemiology; DOI: 10.1007/s00127-014-0860-x 14 Large
MM, Ryan CJ. Disturbing findings about the risk of suicide and
psychiatric hospitals. Social Psychiatry and Psychiatric
Epidemiology; DOI: 10.1007/s00127-014-0912-2 15 Large M, Ryan C,
Walsh G et al. Nosocomial suicide. Australasian Psychiatry; DOI:
10.1177/1039856213511277 16 Walsh G, Sara G, Ryan CJ et al.
Meta-analysis of suicide rates among psychiatric in-patients. Acta
Psychiatrica Scandinavica; DOI: 10.1111/acps.12383 17 Meysenburg R,
Healy D. Sammlung von Zeitungsberichten über SSRI-assoziierte
Suizide und Gewalttaten. Im Internet:
ssristories.org/all-posts/; Stand: 12.08.2017 18 Sharma T, Guski
LS, Freund N et al. Suicidality and aggression during
antidepressant treatment: systematic review and meta-analyses based
on clinical study reports. British Medical Journal (Clinical
research ed.); DOI: 10.1136/bmj.i65 18 Benkert O, Hippius H.
Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie. 11 Aufl. Berlin:
Springer; 2017 20 Lehmann P. Behandlungsergebnis Selbsttötung.
Suizidalität als mögliche Wirkung psychiatrischer Psychopharmaka.
Im Internet:
www.antipsychiatrieverlag.de/artikel/gesundheit/suizid.htm;
Stand: 25.02.2017 21 Healy D, Harris M, Tranter R et al. Lifetime
suicide rates in treated schizophrenia: 1875-1924 and 1994-1998
cohorts compared. British Journal of Psychiatry 2006; 188: 223–228
22 Fiedler G. Kurzinformation über Suizidalität und Suizid.
Information des Nationalen Suizidpräventionsprogramms für
Deutschland, 2010-2015.
http://www.suizidpraevention-deutschland.de/informationen/kurzinfo-suizid.html
23 Nock MK, Borges G, Bromet EJ, Alonso J, Angermeyer M, Beautrais
A, …, Williams D. Cross-national prevalence and risk factors for
suicidal ideation, plans and attempts (Data Supplement). British
Journal of Psychiatry. DOI: 10.1192/bjp.bp.107.040113 24 Hall W.
Living with suicidal feelings. Scottish Recovery Network, 2013.
https://www.scottishrecovery.net/resource/living-with-suicidal-feelings/
25 Webb D. Thinking about suicide: contemplating and comprehending
the urge to die. 2. Aufl. Manchester: PCCS Books; 2013 26 Blauner
SR. How I Stayed Alive When My Brain Was Trying to Kill Me: One
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