Menschenrecht Bildung nur für Geimpfte? | Von Camilla Hildebrandt

Menschenrecht Bildung nur für Geimpfte? | Von Camilla Hildebrandt

13 Minuten

Beschreibung

vor 3 Jahren

Wissenschaft und Lehre sind frei – so das Grundgesetz in
Deutschland und auch in Österreich. Doch für einige Studenten in
Österreich gilt bereits 1G, nur Geimpfte dürfen studieren. In
Deutschland setzt sich immer mehr 3G durch. Was passiert mit
unserem hoch gepriesenen Bildungssystem? Wo sind die
Verfassungsrechtler, wenn es um diese Regeln geht?


Ein Kommentar von Camilla Hildebrandt.


„Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei“, so Artikel 17 des
Staatsgrundgesetzes in Österreich. Doch für Studenten an der
Medizinischen Universität Innsbruck gilt ab dem Wintersemester
die 1G-Regel, Erstsemestrige dürfen am klinischen Lehrbetrieb nur
vollständig geimpft teilnehmen. Für die Hauptuni gilt die
3G-Regel. „Wir glauben, dass das für angehende Mediziner zumutbar
ist“, begründet Rektor Wolfgang Fleischhacker gegenüber dem ORF
die Entscheidung (1).


Auch der Rektor der Uni Salzburg, Hendrik Lehnert, plädiert für
die 1G-Regelung. Diese sei einfacher zu kontrollieren. In der
Johannes Kepler Universität Linz wird derweil an der Einführung
von farbigen Kontrollbändern gearbeitet, so eine Mitteilung der
Universität vom 3. September (2):


„Dadurch kann der 3G-Check bei Lehrveranstaltungen und Prüfungen
schnell erfolgen. Um den Aufwand zu reduzieren, können Personen,
welche über einen langfristigen Nachweis einer lediglich geringen
epidemiologischen Gefahr (insbesondere Impfung) verfügen, ein
länger geltendes Armband bekommen.“


In Deutschland ist die Situation ähnlich. Von Seiten der
Hochschulrektorenkonferenz heißt es (3):


„Die Hochschulen richten sich auf unterschiedliche Szenarien ein,
die sich weitgehend an der 3G-Regel orientieren (vollständig
geimpft, genesen oder getestet), wie sie Bund und Länder am 10.
August 2021 auch ihren 'Maßnahmen zur Bewältigung der
Corona-Pandemie' zugrunde gelegt haben. (…) Bei einer
Verschärfung der pandemischen Situation ist eine flächendeckende
Rückkehr zu rein digitalen Formaten notwendig.“(4).


Viele deutsche Universitäten schicken derzeit Informationen zum
Wintersemester 2021/22 an die Studenten, denn es soll wieder
Präsenzunterricht geben. Aber der Grundton lautet: entweder ihr
lasst euch impfen, oder ihr müsst jeden Tag einen teuren Test aus
eigener Tasche zahlen. So schreibt zum Beispiel die Hochschule
Darmstadt per Email:


„Sie haben es in der Hand! Lassen Sie sich impfen, dann sind Sie
weitestgehend vor COVID-19 geschützt, müssen sich nicht mehr
testen lassen, haben ungehinderten Zutritt zur Hochschule und
sparen am Ende Geld, denn wenn die Regelungen z.B. für die
Gastronomie so bleiben wie zurzeit, brauchen Sie auch für jeden
Kneipenbesuch einen Schnelltest, für den Sie ab Oktober Geld
bezahlen müssen.“


Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Peter-André Alt
spricht es deutlich aus (5): "Die wichtigste Voraussetzung für
den Präsenzbetrieb ist eine möglichst hohe Impfquote bei den
Studierenden." Und Jonathan Dreusch, Vorstandsmitglied des
„Freien Zusammenschluss von Studentinnenschaften“ (FZS), einem
Dachverband von rund 90 Studierendenvertretungen aus ganz
Deutschland, sagte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland
(6):


„Unsere aktuelle Position ist es, dass Präsenzveranstaltungen nur
für Geimpfte, Genesene und Personen, die sich aus
gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, angeboten
werden sollten“. Wer sich nicht impfen lassen wolle, gefährde
seine Kommilitoninnen und Kommilitonen, so Dreusch. Ist das die
neue Solidarität?


René Blaszevic, 29, Student an der Technischen Universität in
Berlin, kennt keinen Kommilitonen, der nicht geimpft ist. Aus
Angst vor Covid-19? Nein, das Hauptargument der Meisten sei:
keine Tests und Reisebeschränkungen mehr:


„Eine Studentin meinte, sie sei zwar sehr skeptisch, aber
letztlich habe sie ja auch andere Impfungen mitgemacht, also was
soll’s. Ich selbst werde mich nicht impfen lassen. Ich lasse mich
seit circa zwanzig Jahren gegen gar nichts mehr impfen, und mir
geht es gut damit. Selbst wenn ich mich normalerweise regelmäßig
impfen lassen würde, wäre ich spätestens nach den aggressiven
Kampagnen sämtlicher Regierungen stutzig geworden.“


„Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei“


Was passiert momentan mit unserer so hoch gepriesenen Bildung,
unserem deutschen Bildungssystem, mit der Generation und den
Nachfolgenden, die studieren, sich bilden wollen? Artikel 5 (7)
des deutschen Grundgesetzes garantiert: „Kunst und Wissenschaft,
Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet
nicht von der Treue zur Verfassung.“ Wo aber ist die Verfassung,
wo sind die Verfassungsrechtler, wenn es um die 3G-Regel geht?
Sie ducken sich weg, sind plötzlich nicht mehr zuständig.


Für ungeimpfte Studenten bedeutet 3G, ab 11. Oktober 2021 jeden
Tag einen Test aus eigener Tasche zu zahlen. Ein Antigen-Test
wird voraussichtlich zwischen achtzehn und vierzig Euro kosten,
wie der MDR berichtet (8). Wenn man die Kosten dafür
beispielsweise in Spanien, wo es nie kostenlose Bürgertests gab,
betrachtet, scheint das realistisch. Ein Antigentest kostet dort
aktuell mindestens 35,- Euro. Eine Woche Studium wird folglich ab
Oktober 2021 für Ungeimpfte rund zweihundert Euro kosten. Wer
kann das bezahlen? Und inwiefern steht diese „3G-Entscheidung“
für Hochschulen im Einklang mit dem Grundgesetz? Gar nicht.


Für Egzon Balaban, der in Osnabrück Wirtschaftspsychologie
studiert, geht es aber nicht nur um die finanzielle Seite, und
die Tatsache, dass in Zukunft voraussichtlich nur Studenten mit
finanziellem Rückhalt die Uni besuchen können:


„Wer einer bestimmten Gruppe von Menschen das Recht auf Bildung
verwehrt, beziehungsweise es ihr erheblich erschwert, davon
Gebrauch zu machen, der handelt diskriminierend. Für mich
ist nicht die entscheidende Frage, ob man sich impfen lassen
möchte oder nicht, sondern, ob man für oder gegen die
Diskriminierung von Ungeimpften, und somit Mitläufer oder kein
Mitläufer ist. Ich kann mich glücklich schätzen, sowohl bei
mir in der Heimat, als auch in Osnabrück einen Kreis zu haben,
der die Impfentscheidung von mir und anderen respektiert.“


Für ihn steht fest, dass er ab Oktober 2021 kein Geld für
den dann kostenpflichtigen Schnelltest ausgeben wird. „Kein
normaler Student kann sich den Test mehrmals pro Woche leisten,
und ich empfinde es zudem höchst unsolidarisch. Das bedeutet, ich
werde nur mit den Skripten von zu Hause aus lernen, ohne
Präsenzlehre.“


René Blaszevic aus Berlin meint: „Sollten die Universitäten
tatsächlich auf Präsenzbetrieb umstellen und diesen nur noch
unter 3G-Bedingungen zulassen, werde ich das Studium vorerst
pausieren. Ich weigere mich, dieses System mitzutragen.“


„Menschen den Zugang zu Bildung zu verwehren, heißt, ihnen ein
elementares Menschenrecht vorzuenthalten“ ... hier
weiterlesen:https://apolut.net/menschenrecht-bildung-nur-fuer-geimpfte-von-camilla-hildebrandt


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