Heute kommt die Verschwendung (Palmsonntag) Mk 14,7

Heute kommt die Verschwendung (Palmsonntag) Mk 14,7

5 Minuten

Beschreibung

vor 9 Monaten

Während meines Theologiestudiums war ich bei Freunden zum
Abendessen eingeladen. Sie hatten zwei Töchter von vielleicht 13
und 15 Jahren. Vor dem Essen sagt die Mutter in der Küche: „Die
Mädchen haben Dir übrigens einen Spitznamen gegeben.“ „Ach so?“
frage ich amüsiert. „Ja, beim Frühstück sagten sie: Heute Abend
kommt die Verschwendung.“


Das war ein liebevoll-spöttisches Kompliment von Teenagerinnen an
einen Spätzwanziger, dass dieser nicht bloß aus Mangel an
Alternativen Priester werden wollte. Ich gestehe, dass ich damals
für ein solches Kompliment nicht unempfänglich war.


Aber eigentlich ist „Verschwendung“ kein positiv konnotierter
Begriff. Sie besteht in einer unverhältnismäßigen, vergeblichen
Ausgabe oder Verausgabung. Sie ist ökologisch, wirtschaftlich
oder gesundheitlich nicht zu verantworten. Und sie gehört zur
Luxuria, der Wollust, einem der Hauptlaster des klassischen
Lasterkataloges.


Die Neckerei der Mädchen hatte mich gefreut. Aber sie erinnerte
mich zugleich an eine ernste Lebensfrage. War mein Leben nicht
vielleicht wirklich eine Verschwendung? Bedeutete die
Entscheidung, Priester und nicht Rechtsanwalt zu werden, ein Erbe
nicht anzutreten, das Mädchen, das ich lieb hatte, nicht zu
heiraten, keine Kinder und keine Familie zu haben, nicht doch
eine vergebliche Vergeudung meines Lebens? Hatte ich mein Leben
für einen Irrtum, schlimmstenfalls für eine Ideologie und
Pfaffenlüge eingesetzt? Später wurden mir solche Fragen von
anderen auch weniger freundlich gestellt.


Am Beginn der Heiligen Woche wird am Palmsonntag die
Leidensgeschichte Jesu gelesen. Vor dessen Ankunft in Jerusalem
erzählt Markus von einer Begegnung in Betanien bei der eine Frau
(bei Johannes ist es Maria, die Schwester der Freunde Jesu Marta
und Lazarus) mit einem Alabastergefäß von „echtem, kostbarem
Nardenöl“ an Jesus herantritt und ihm das Haupt salbt.


„Wozu diese Verschwendung?“, murren die Jünger Jesu. „Man hätte
das Öl um mehr als dreihundert Denáre verkaufen und das Geld den
Armen geben können.“


Warum Öl im Wert des Jahresgehalts eines Arbeiters für eine
scheinbar sinn- und folgenlose Geste? Warum erlesenste
Körperpflege für einen, der Einfachheit gepredigt hat und sowieso
bald sterben wird? Warum tut jemand so was?


Nun, zunächst möglicherweise einfach so. Die Liebe braucht kein
Wozu. Die Liebe bezweckt nichts. Es geht ihr nur um den Anderen –
um seiner selbst willen. Sie sagt: Du bist es wert.


Dann ist es aber auch ein Akt der Verehrung über alles menschlich
zu Rechtfertigende hinaus. Der so Verehrte ist nicht einer unter
vielen. Er ist unvergleichlich. Eine solche Ehre kommt nur Gott
zu.


Jesus selbst gibt einen weiteren Grund: „Sie hat im Voraus meinen
Leib für das Begräbnis gesalbt.“ Hingerichteten Verbrechern wurde
die rituelle Salbung vor dem Begräbnis verwehrt. Vor seinem
Sterben erlaubt Jesus Maria diesen letzten Liebesdienst.


Und Maria erwidert damit die Liebe Jesu. Sie will
verschwenderisch lieben wie er. Und sie will zeigen: Dein Leben
und Sterben ist die maßlose Liebe Gottes zu uns, die nicht
vergeblich ist und die uns sagt: Ihr seid es wert.


Jesus ergänzt ein Wort, das bis heute eine Provokation darstellt:
„Die Armen habt ihr immer bei euch […]; mich aber habt ihr nicht
immer.“ Jesus spielt seine Gegenwart damit nicht gegen die der
Armen aus. Aber er erinnert uns, über die Armen seine Gegenwart
nicht zu vergessen. Denn sie ist die Gegenwart der Liebe Gottes
zu den Armen. Ihm die Ehre geben, heißt dem die Ehre geben,
dessen Liebe zu den Armen der unseren vorausgeht, sich in unserer
offenbaren will und über unsere Liebe hinausgeht.


Ich denke noch heute manchmal an den Scherz der beiden Mädchen.
Sie erinnern mich daran, dass es im Leben der Christen darum
geht: dass sie mit Christus als verschwenderisch Geliebte
verschwenderisch lieben. Wenn ich das versuche, dann wird mein
Leben hoffentlich eine Verschwendung, aber gewiss nicht
vergeblich gewesen sein.


Fra' Georg Lengerke



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