Rainer Maria Rilke - Traumgekrönt XV - XXI
8 Minuten
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Beschreibung
vor 5 Jahren
Liebe Hörerinnen und Hörer!
In der heutigen Episode hört ihr die Gedichte XV - XXI aus Rilkes
Gedichtezyklus "Traumgekrönt".
XV
Im Schoß der silberhellen Schneenacht
dort schlummert alles weit und breit,
und nur ein ewig wildes Weh wacht
in einer Seele Einsamkeit.
Du fragst, warum die Seele schwiege,
warum sie's in die Nacht hinaus
nicht gießt? - Sie weiß, wenns ihr entstiege,
es löschte alle Sterne aus.
XVI
Abendläuten. Aus den Bergen hallt es
wieder neu zurück in immer mattern
Tönen. Und ein Lüftchen fühlst du flattern
von dem grünen Talgrund her, ein kaltes.
In den weißen Wiesenquellen hallt es
wie ein Stammeln kindischen Gebetes;
durch den schwarzen Tannenhochwald geht es
wie ein Dämmern, ein jahrhundertaltes.
Durch die Fuge eines Wolkenspaltes
wirft der Abend rote Blutkorallen
nach den Felsenwänden. - Und sie prallen
lautlos von den Schultern des Basaltes.
XVII
Weltenweite Wandrer,
walle fort in Ruh ...
also kennt kein andrer
Menschenleid wie du.
Wenn mit lichtem Leuchten
du beginnst den Lauf,
schlägt der Schmerz die feuchten
Auge neu dir auf.
Drinnen liegt - als riefen
sie dir zu: Versteh! -
tief in ihren Tiefen
eine Welt voll Weh ...
Tausend Tränen reden
ewig ungestillt,
und in einer jeden
spiegelt sich dein Bild!
XVII
Möchte mir ein blondes Glück erkiesen;
doch vom Sehnen bin ich müd und Suchen. -
Weiße Wasser gehen in stillen Wiesen,
und der Abend blutet in die Buchen.
Mädchen wandern heimwärts. Rot im Mieder
Rosen; fernere verklingt ihr Lachen ...
Und die ersten Sterne kommen wieder
und die Träume, die so traurig machen.
XIX
Vor mir liegt ein Felsenmeer,
Sträucher, halb im Schutt versunken.
Todesschreien. - Nebeltrunken
hangt der Himmel drüber her.
Nur ein matter Falter schwirrt
rastlos durch das Land, das kranke ...
Einsam, wie ein Gottgedanke
durch die Brust des Leugners irrt.
XX
Die Fenster glühten an dem stillen Haus,
der ganze Garten war voll Rosendüften.
Hoch spannte über weißen Wolkenklüften
der Abend in den unbewegten Lüften
die Schwingen aus.
Ein Glockenton ergoß sich auf die Au ...
Land wie ein Ruf aus himmlischen Bezirken.
Und heimlich über flüstervollen Birken
sah ich die Nacht die ersten Sterne wirken
ins blasse Blau.
XXI
Es gibt so wunderweiße Nächte,
drin alle Dinge Silber sind.
Da schimmert mancher Stern so lind,
als ob er fromme Hirten brächte
zu einem neuen Jesuskind.
Weit wie mit dichtem Demantstaube
bestreut, erscheinen Flur und Flut,
und in die Herzen, traumgemut,
steigt ein kapellenloser Glaube,
der leise seine Wunder tut.
Einen wunderschönen Tag wünsche ich euch allen!
Eure,
Barbara Marie-Louise Pavelka
www.barbarapavelka.at
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