Im Gespräch mit ... Dirk Höfer

Im Gespräch mit ... Dirk Höfer

32 Minuten

Beschreibung

vor 7 Monaten

Ein Gespräch mit Dirk Höfer ist schon deswegen nichts
Ungewöhnliches, weil wir seit langer Zeit freundschaftlich
verbunden sind, zusammen gearbeitet, darüber hinaus ein Buch
miteinander geschrieben haben: Alles und Nichts. Ein Pandämonium
digitaler Weltvernichtung. Und weil dies fast eine Dekade
zurückliegt, lässt sich die Unterhaltung als ein post mortem
auffassen, ein Rückblick auf eine gemeinsame Erkundungsreise, die
insofern ungewöhnlich ist, als sie sich auf das Unpersönlichste
bezieht, das man sich vorstellen kann. Was das ist? Eine
mathematische Formel, jene Formel zudem, die unserer digitalen
Welt zugrundeliegt:


x=xn


Nun gehört es zu den Sonderbarkeiten unserer Zeit, dass zwar
jedermann mit der Boole’schen Logik vertraut ist und die Booleans
zu den Grundbausteinen der Programmierung gehören, dass aber ihr
Urheber ebenso wie die gedankliche Begründung dieser Formel im
Dunkeln liegen. Dass selbige selbst den Angehörigen der
Programmiererzunft unbekannt ist, war die Verwunderung, die zu
dem gemeinsamen Buchprojekt geführt hat. Nun hätte man sich
anheischig machen können, dem Stifter dieser Formel, George
Boole, der sie in seinen 1854 erschienenen Laws of Thought
dargelegt hat, ein Denkmal zu setzen – aber eine solche
philologische Ehrenrettung wäre doch, so berechtigt sie sein mag,
an dem Rätsel selbst vorübergegangen. Der Frage nämlich, wie es
möglich sein kann, dass eine Gesellschaft, welche die Beiträge
all ihrer Geistesgrößen, ja selbst der bescheidensten Geister,
penibel dokumentiert, manche ihrer tragenden Säulen übersehen
will. Dies ist umso erstaunlicher, als man es bei der
Digitalisierung ja nicht mit einer Orchideenwissenschaft zu tun
hat, sondern mit einer nicht-enden-wollenden Serie von
Erschütterungen, welche lange für stabil, ja für unumstößliche
gehaltene Gewissheiten schleift. Genau das war der blinde Fleck,
den wir in endlosen Gesprächen (und großer Weinseligkeit)
versucht haben einzukreisen − woraus das Projekt erwuchs, diese
Formel, und mit ihr ein gesellschaftliches Unbewusstes, ins Licht
zu rücken.


Nun hat das Buch einige Übersetzungen erfahren, gleichwohl ist es
immer noch so, dass die Formel − als symbolische Form begriffen –
ein philosophischer Fremdkörper geblieben ist. Und deswegen
werden in den nächsten Wochen die einzelnen Buchkapitel den
Lesern von ex nihilo als Audiostücke zugänglich gemacht.


Und was zu Dirk Höfer zu sagen ist? Nach dem Studium der
bildenden Kunst – und einem wachsenden Zweifel am Kunstbetrieb –
war er lange Zeit als Redakteur bei Lettre International tätig.
Seit 2014 ist er Übersetzer und widmet sich, als großer
Connaisseur der Naturhistorie und der Anthropologie,
ungewöhnlichen Literaturprojekten. Er übersetzte unter anderem
Edward Abbey, Anna Lowenhaupt Tsing, François Augiéras und Nick
Land.


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