Folge 1180: HOLY SPIDER - Ein Mörder wird als Held gefeiert
16 Minuten
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Beschreibung
vor 1 Jahr
In einer Gesellschaft, in der Frauen nur eine Lebensberechtigung
haben, wenn sie die Gesetze der Männer ohne Abweichung befolgen,
in einer solchen Gesellschaft wird einem psychopathischen
Serienmörder applaudiert, der Prostituierte ermordert. In der als
heilig bezeichneten Stadt Mashhad ist Saeed in der Nacht mit
seinem Motorrad unterwegs und lauert auf seine Opfer. Die
Journalistin Rahimi (beeindruckend: Sahra Amir Ebrahimi) will die
Wahrheit über den Spinnenmörder herausfinden und erkennt schnell,
dass die Polizei keine große Hilfe ist. Auch bei den Polizisten
gelten die Opfer nur als wertlose Junkies und Huren. Als
„wertlos“ bezeichnet ein Polizist auch die Journalistin, als er
sie in ihrem Hotelzimmer belästigt. Rahimi geht als Lockvogel
selbst auf die Straße, bis der Spinnenmörder tatsächlich mit
seinem Motorrad vor ihr auftaucht …
Viel stärker als die Thrillerhandlung brennen sich die Szenen
ein, die den iranischen Gottesstaat als frauenverachtendes
Unrechtsregime zeigen: Frauen dürfen für sich allein kein
Hotelzimmer buchen, sie dürfen nicht ohne Kopftuch gesehen werden
und wenn sie als Journalistin arbeiten, sind sie ständig
Anfeindungen ausgesetzt. Intensiv wird Abbasis Film nach der
Festnahme des 16-fachen Mörders: religiöse Gruppen unterstützen
den Mörder offen, es gibt Demonstrationen, die ihn als Helden
feiern und seine Freilassung fordern, auch viele Menschen in der
Nachbarschaft solidarisieren sich mit dem Mörder. Saeed wird
sogar eine Befreiung versprochen, nachdem er zum Tode verurteilt
wurde.
Abbasis Film beruhrt auf einer wahren Begebenheit und er
beschönigt nichts, er zeigt die Verzweiflung und Drogensucht der
Prostituierten, er zeigt unangenehm ausführlich die Banalität des
Mörders, der sich selbst einredet, einen göttlichen Auftrag zu
erfüllen. Die Stadt ist ebenso schmucklos wie die einfache
Wohnung, in die Saeed seine Opfer lockt, um sie dann mit ihrem
eigenen Kopftuch zu erdrosseln. Nur das nächtliche Mashhad
glitzert, aber wenn man genau hinschaut, zeigt uns Abbasi dabei
das Netz, das der Spinnenmörder über die Stadt gelegt hat.
Das ernste Thema und die sehr starken Darsteller lenken davon ab,
wie sorgfältig und atmosphärisch dicht die Inszenierung ist – und
wie großartig der Soundtrack von Martin Dirkov und das
Sounddesign sind. Im Podcast direkt nach dem Kino sprechen
Johanna und Thomas über die intensive Darstellung des
religiös-fanatischen Mörders, über die Situation der Frauen im
Iran, über die Unterstützer des Mörders und über ein Bild, das
Johanna nicht vergessen wird: Der Mörder auf dem Motorrad, auf
dem Rücksitz das bereits ermordete Opfer – mit einem Strick an
den Rücken des Mörders gebunden.
„Ich komme aus dem Iran. Dort bin ich geboren und aufgewachsen.
Ich muss keine Puppenhausversion des Iran machen. Der Ort, den
wir betrachten, Maschhad, ist wie viele dieser größeren
Metropolen im Nahen Osten. Sie haben sich in unscheinbare
Industriestädte verwandelt, halb Favela, halb Betonwüste mit
einigen historischen Gebäuden […]. Sie finden diese Orte in der
Türkei, in Jordanien und wahrscheinlich an vielen anderen
Orten.“
Regisseur Ali Abbasi über Mashhad
Von Ali Abbasi haben Johanna und Thomas bereits den sehr
sehenswerten Film BORDER besprochen.
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