Folge 1146: ONE OF THESE DAYS - Die Kinder des Kapitalismus

Folge 1146: ONE OF THESE DAYS - Die Kinder des Kapitalismus

11 Minuten
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Der erste Eindruck direkt nach dem Kino

Beschreibung

vor 2 Jahren

Kyle (Joe Cole) ist einer der Verlierer, er arbeitet hart, wenn
er einen Job findet, seine Freundin ebenso. Aber sie kommen im
texanischen Nirgendwo kaum über die Runden. Als sein alter Wagen
den Geist aufgibt, schämt er sich zu sehr, um es zuzugeben. Ein
Mann, der sich noch nicht einmal ein Auto leisten kann? Der
Kapitalismus lässt seine Kinder vielleicht verhungern, aber er
hat immer eine trügerische Hoffnung im Angebot: Ein Autohändler
verschenkt einen nagelneuen Pickup an den Mann oder die Frau, die
am längsten ununterbrochen die Hand am Auto halten kann – ohne
Schlafpausen. Es kommen diejenigen, die keine andere Chance mehr
sehen, es kommen diejenigen, die eine ganze glückliche Zukunft in
dieses Auto projezieren. Und während die Armen und Verzweifelten
Tag und Nacht am Auto stehen, sind sie die Attraktion für die
Schaulustigen, die diese Demütigung (noch) nicht nötig haben. Oft
gibt es gar keine Zuschauer, außer ihrer Betreuerin Joan (Carrie
Preston). Das sind dann die dunkelsten und einsamsten Momente.
Regisseur Bastian Günther inszeniert dieses Kammerspiel rund um
den Pickup in intensiven Einstellungen, wir sind den Menschen und
ihrer Traurigkeit sehr nah. Und am Ende beginnt der Film für ganz
besondere 20 Minuten noch einmal von vorne …



Johanna und Thomas haben den Film im CAPITOL gesehen – in
Anwesenheit des Regisseurs Bastian Günther, der erklärte, dass
der Film auf einer wahren Geschichte beruht und erinnerte das
Publikum an den Film „They shoot horses, don’t they?“ von Sydney
Pollack (1969), der einen Tanzmarathon zeigt, bei dem das letzte
noch tanzende Paar gewinnt – auch hier eine Demütigung und
Entwürdigung der Hoffnungslosen, eine Entmenschlichung und
Degradierung zur Attraktion. Günther zeigte sich glücklich
darüber, dass Robert Altman den Stoff dann doch nicht – wie
ursprünglich beabsichtigt – verfilmt hat. Günther, der auch das
Drehbuch geschrieben hat, ging im Gespräch auch auf die Szene
ein, in der Kyle von der Polizei als potentieller Krimineller
eingestuft wird, nur weil er zu Fuß unterwegs ist – einem
Teammitglied war es während der Dreharbeiten tatsächlich
passiert. Durch die Pandemie war der Start des Filmes auf dem
Sundance-Festival 2020 kurzfristig abgesagt worden. Jetzt ist er
in die Kinos gekommen. Als Koproduktion mit dem Hessischen
Rundfunk, dem Saarländischen Rundfunk und ARTE wird der Film
später in den Fernsehsendern der ARD, auf ARTE und in der ARD
Mediathek zu sehen sein. Direkt nach dem Film sprechen Johanna
und Thomas vor dem CAPITOL über die düstere Stimmung, die
beeindruckende Inszenierung der Autos, lens flares, Autofriedhöfe
und sprechende Pickups und sind sich einig: ONE OF THESE DAYS ist
sehr ernst und sehr, sehr sehenswert.



WICHTIG: Wir haben ONE OF THESE DAYS im Programmkino
Capitol&Palatin in Mainz gesehen, sehr viele
SchönerDenken-Episoden zu anspruchsvolleren Filmen sind vor
diesem Programmkino aufgezeichnet worden. Dieses Kino ist die
Grundlage der Kinokultur in Mainz: Das Programm ist hervorragend
kuratiert – besondere Filme aus vielen unterschiedlichen Genres
und Nationen, immer wieder auch in Originalsprache, dazu viele
Veranstaltungen. Dem Programmkino Capitol&Palatin droht durch
ein Gebäudekauf durch ein großes Immobilienunternehmen die
Schließung. Mehr Informationen gibt es hier und
hier. Eine Petition zum Erhalt dieses wichtigen
Kinos gibt es hier. Bitte unterstützen!



Text und Podcast stehen unter der Creative Commons-Lizenz
BY-NC-ND 4.0
Quelle: SchönerDenken (Direkter Download der Episode über rechte
Maustaste)
Bild: Filmszene aus ONE OF THESE DAYS Weltkino 2020
Musik von Johannes Klan



One Of These Days
D, 2020, 121 Min., Buch und Regie: Bastian Günther

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