Der Taugenichts - Ballade von Gottfried Keller #ballade #hörbuch
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vor 6 Monaten
Deutsche Balladen - Episode 2
Gottfried Keller (1819 Zürich - 1890 Zürich) Der Taugenichts Die
ersten Veilchen waren schon Erwacht im stillen Tal; Ein
Bettelpack stellt' seinen Thron Ins Feld zum ersten Mal. Der Alte
auf dem Rücken lag, Das Weib, das wusch am See; Bestaubt und
unrein schmolz im Hag Das letzte Häuflein Schnee. Der Vollmond
warf den Silberschein Dem Bettler in die Hand, Bestreut' der Frau
mit Edelstein Die Lumpen, die sie wand; Ein linder West blies in
die Glut Von einem Dorngeflecht, Drauf kocht' in Bettelmannes Hut
Ein sündengrauer Hecht. Da kam der kleine Betteljung', Vor Hunger
schwach und matt, Doch glühend in Begeisterung Vom Streifen durch
die Stadt, Hielt eine Hyazinthe dar In dunkelblauer Luft; Dicht
drängte sich der Kelchlein Schar, Und selig war der Duft. Der
Vater rief: »Wohl hast du mir Viel Pfennige gebracht?« Der Knabe
rief: »O sehet hier Der Blume Zauberpracht! Ich schlich zum
goldnen Gittertor, So oft ich ging, zurück, Bedacht nur, aus dem
Wunderflor Zu stehlen mir dies Glück! O sehet nur, ich werde
toll, Die Glöcklein alle an! Ihr Duft, so fremd und wundervoll,
Hat mir es angetan! O schlaget nicht mich armen Wicht, Lasst
Euren Stecken ruhn! Ich will ja nichts, mich hungert nicht, Ich
will's nicht wieder tun!« »O wehe mir geschlagnem Tropf!« Brach
nun der Alte aus, »Mein Kind kommt mit verrücktem Kopf, Anstatt
mit Brot nach Haus! Du Taugenichts, du Tagedieb Und deiner Eltern
Schmach!« Und rüstig langt' er Hieb auf Hieb Dem armen Jungen
nach. Im Zorn frass er den Hecht, noch eh' Der gar gesotten war,
Schmiss weit die Gräte in den See Und stülpt' den Filz aufs Haar.
Die Mutter schmält mit sanftem Wort Den missgeratnen Sohn, Der
warf die Blume zitternd fort Und hinkte still davon. Es perlte
seiner Tränen Fluss, Er legte sich ins Gras Und zog aus seinem
wunden Fuss Ein Stücklein scharfes Glas. Der Gott der
Taugenichtse rief Der guten Nachtigall, Dass sie dem Kind ein
Liedchen pfiff Zum Schlaf mit süssem Schall.
Textquelle:
https://www.projekt-gutenberg.org/keller/gedichte/chap044.html
Bild: Pezibear auf Pixabay
Sprecherin: Eva Katrin Kühn
Der Hörkanal auf Youtube: youtube.com/@hoerkanal
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