Folge 38 - Ziemlich sonderbare Freunde - Teil 1: Familie formt das Denken und die weströmische Kirche die Familie

Folge 38 - Ziemlich sonderbare Freunde - Teil 1: Familie formt das Denken und die weströmische Kirche die Familie

Familie formt das Denken und die weströmische Kirche die Familie
57 Minuten
Podcast
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- ein Streifzug durch Kultur, Geschichte, Politik und Philosophie und alles außer Anti-Ageing

Beschreibung

vor 5 Monaten

Ihr seid sonderbar. Ich bin es auch. Wir alle sind sonderbar,
seltsam, weird, wobei weird steht für Western, Educated,
Industrialised, Rich, Democratic. Und als sonderbare
Menschen ticken wir ganz anders als Menschen in
nicht-sonderbaren Gesellschaften: wir empfinden viel Schuld, aber
wenig Scham, wir finden, dass Absicht eine wichtige Größe ist, um
eine Handlung moralisch zu bewerten, wir würden ungern für unsere
Freunde lügen usw. Vieles, was die Psychologie
experimentell als Konstanten zeigen wollte, ist in erster Linie
nur auf die westliche Welt anwendbar, so die Thesen des
US-Anthropologen Joseph Henrich.


In der heutigen Folge geht es um diese Besonderheiten in unserem
Gefühls- und Denkapparat und um seine sehr überraschende
Erklärung: die katholische Kirche. Die hat in
einem 1000-jährigen Prozess ein weltweit einmaliges Ehe-
und Familienprogramm durchgesetzt, das ihr erst zu viel
Reichtum und Macht verholfen hat. Dabei hat sie aber ohne es zu
ahnen auch die kritischen Geister geschaffen hat, die sich
massenweise von ihr abwenden würde. Monogamie auch für die
Herrschenden, das Verbot von Adoption und Scheidungen, das Verbot
Verwandte 6. Grades zu heiraten und sogar nur Verwandte im Geiste
(z.B. Patenonkel und Patentante) sorgte dafür, dass die
Familienverbünde, die bis dahin Europa beherrschten, ihren Besitz
nicht mehr zusammenhalten konnten, ihre Macht brach und viele
Dynastien ausstarben - und am Ende idealerweise der Kirche ihr
Eigentum vermachten, sodass sie zur Zeit der Reformation fast die
Hälfte des Grundbesitzes in Deutschland besaß. In der Folge
mussten Heiratswillige bis zu 10.000 Menschen ausschließen. Eine
neue Mobilität setzte ein, man heiratete später und seltener, man
musste sich mehr mit Fremden arrangieren, die Familie wurde
geschwächt und durch Individualismus und die übergeordnete
christliche Identität ersetzt. Wie holprig und doch erfolgreich
dieser Prozess von rund 300 bis 1300 lief, ist Teil des zweiten
Teils der heutigen Folge.


Damit sind wir aber erst bei der Hälfte der spannenden Gedanken
angekommen. In der nächsten Folge schauen wir uns erst einmal an,
was es prinzipiell mit Menschen macht, wenn sie von einer
polygamen (in Europa bis dahin Standard) in eine
monogame Gesellschaft wechseln (das wichtigste Stichwort:
Testosteron!) und was das konkret in Europa
losgetreten hat, darunter der viel stärker auftretende
Zusammenschluss mit Fremden in Städten, Universtitäten,
Klöstern oder Zünften.


Viel Spaß beim Zuhören!


Das Buch von Joseph Henrich heißt "Die seltsamsten Menschen der
Welt: Wie der Westen reichlich sonderbar und besonders reich
wurde" und erschien 2020 auf Englisch und 2022 erstmals auf
Deutsch bei Suhrkamp.

(0:01) Einführung


(2:08) Der Sonderweg der westlichen Gesellschaften


(5:33) Die Normen westlicher Gesellschaften


(7:24) Die Auswirkungen des Ehe- und Familienprogramms


(9:32) Unterschiedliche Wahrnehmungen in verschiedenen
Gesellschaften


(12:46) Rollen in familienzentrierten Gesellschaften


(17:13) Kontrolle und Entscheidungsfreiheit in westlichen
Gesellschaften


(21:25) Das Beifahrer-Dilemma


(22:59) Unterschiede in moralischen Vorstellungen


(25:44) Entwicklung der westlichen Gesellschaften


(55:08) Schluss

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