(56) Ohne Perspektive? Israel und die Palästinenser

(56) Ohne Perspektive? Israel und die Palästinenser

47 Minuten
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Sicherheits- und außenpolitische Analysen, Strategien und diplomatische Optionen

Beschreibung

vor 3 Monaten
„Es ist der Versuch, Europa mit ins Spiel zu bringen“, sagt Werner
Sonne zum Vorschlag von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock,
eine EU-Kontrollmission am Grenzübergang zwischen Gaza und Ägypten
wieder aufzunehmen: „Das kann man durchaus für einen guten Versuch
halten“. Es ist ein Aspekt der großen Frage: „Wie geht es weiter
mit dem Gaza-Streifen?“ Und die wiederum ist ein Aspekt der noch
größeren Frage: „Wie soll es überhaupt weitergehen mit der
Palästinenserfrage?“ Dass mit Norwegen, Spanien und Irland nun
neuerdings insgesamt 146 Staaten Palästina als eigenständigen Staat
anerkennen, bewertet der langjährige ARD-Korrespondent als
„weiteren symbolischen Versuch, Israel in die Enge zu treiben und
endlich eine Lösung zu finden“. Doch auch hinter diesem Versuch
stünden weitere Fragen: „Welcher Staat soll denn anerkannt werden?
Wie soll er aussehen? Aus welchen Gebieten soll er bestehen?“
Werner Sonne erläutert im Gespräch mit Moderator Oliver Weilandt
viele der komplexen Zusammenhänge im Nah-Ost-Konflikt – allgemein
und insbesondere in Bezug auf die gegenwärtige Situation nach dem
Überfall von Terrorkommandos der Hamas auf israelische
Zivilistinnen und Zivilisten am 7. Oktober 2023 mit grauenvollen
Massakern an der Zivilbevölkerung, mehr als 240 entführten Menschen
und den darauf folgenden Angriffen Israels auf Gaza mit dem Ziel,
die Hamas zu vernichten und die Geiseln zu befreien. Zahlreiche
wiederum zivile Opfer in Gaza führen seitdem zu einem Widerspruch
zwischen humanitärem und militärischem Völkerrecht. Innenpolitisch
stelle sich für Israel die Frage, ob und wie lange die ultrarechte
Regierung Netanjahus an der Macht bleibt. Längst droht der größte
innenpolitische Gegner des israelischen Ministerpräsidenten,
Oppositionsführer Benny Gantz, mit Rücktritt aus dem sogenannten
Kriegskabinett, wenn der Ministerpräsident nicht bald eine
Perspektive für die Zukunft Gazas formuliert. Immerhin: An der
diplomatischen Front gebe es jetzt etwas Bewegung, sagt Werner
Sonne, dennoch sei die Palästinenserfrage sei derzeit besonders
schwer zu beantworten. Während er einer Ein-Staaten-Lösung aus
demografischen Gründen gar keine Chancen einräumt, bleibe die seit
Jahrzehnten auch von westlichen Staaten angestrebte
Zwei-Staaten-Lösung grundsätzlich eine Option; allerdings nicht in
der unmittelbaren Zukunft: zum einen, weil völlig offen sei, wer in
einem palästinensischen Staat die Führung übernehmen könnte und zum
anderen wegen der derzeitigen israelischen Regierung: „Wir haben
drei Spieler, die nicht wollen oder nicht können oder nicht infrage
kommen“. Deshalb sei eine Zwei-Staaten-Lösung „zum gegenwärtigen
Zeitpunkt eine Illusion“. Das sehe auch die deutsche
Bundesregierung so. Die wiederum – wie generell „wir Deutschen“ –,
so Sonne, „habe eine besondere Verantwortung gegenüber dem Staat
der Juden“, die sich aus dem Holocaust ergebe. Diese besondere
Beziehung beschreibt er auch in seinem gerade im Verlag
C. H. Beck erschienen Buch „Israel und Wir“. Auch in
Zeiten, in denen Israels Ansehen zunehmend unter Druck gerät und
das Land weniger weltweite Unterstützung erhält, ergebe sich aus
dieser Verantwortung stets der Einsatz für das Existenzrecht
Israels. Mit Blick auf die antisemitischen Ausschreitungen im
Rahmen der Besetzung der Humboldt-Universität zu Berlin folge aus
der erstmals von der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel so
genannten »Deutschen Staatsräson«, dass Antisemitismus in
Deutschland keinen Platz haben darf.

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