Gedanken am frühen Morgen - Was denn nun

Gedanken am frühen Morgen - Was denn nun

6 Minuten

Beschreibung

vor 5 Monaten

Nun gut! Es sei dem so! Betreffs der Seele liegen sie zwar in
Hader, bezüglich ihrer übrigen Verhältnisse aber stimmen ihre
Aussprüche überein. Aber wie? Da bezeichnet einer das Vergnügen
der Seele als ein Gut für sie, der andere als ein Übel, der
Dritte als ein Mittelding zwischen Gut und Böse. Bezüglich der
Natur der Seele behaupten die einen, sie sei unsterblich, andere,
sie sei sterblich, andere wiederum, sie sei noch einige Zeit
verweilend; einige lassen sie in Tiere übergehen, andere lösen
sie in Atome auf, andere wiederum lassen sie eine Verbindung mit
einem Körper eingehen, andere schließlich lassen sie eine
Wanderung von dreitausend Jahren durchmachen. Leute also, die
nicht hundert Jahre leben, künden uns von dreitausend zukünftigen
Jahren. Wie soll man also das nennen? Soviel mir scheint
Abenteuerlichkeit, Unsinn oder Wahnwitz oder Absonderlichkeit
oder alles zugleich. Wenn sie eine Wahrheit gefunden haben, so
sollen sie in Übereinstimmung sich einigen und ich werde dann mit
Freuden ihnen Glauben schenken. Wenn sie aber die Seele
auseinander reißen und sie hin- und herzerren, der eine sie in
diese Natur, der andere in eine andere, also sie von einem Stoff
in einen anderen verwandelt, so muss ich zugeben, dass eine
derartige Unbeständigkeit der Dinge mich ärgert. Jetzt bin ich
unsterblich und freue mich darob; dann aber werde ich wiederum
sterblich und weine deshalb; allsogleich löse ich mich in Atome
auf, werde Wasser, werde Luft, werde Feuer; kurze Zeit darauf bin
ich weder Luft noch Feuer, zum Tier macht man mich, zum Fisch;
ich habe also zur Abwechslung Delphine zu Brüdern. Wenn ich mich
besehe, so graut mich mein Leib und ich weiß nicht, wie ihn
benennen: Mensch oder Hund oder Wolf oder Stier oder Vogel oder
Schlange oder Drache oder Chimäre. Denn in alle Tiere lassen mich
die Philosophen sich verwandeln: in Land- und Wassertiere, in
Vögel, in Gestalt wechselnde, in wilde und zahme, stumme und
lautbegabte, in vernunftlose und unvernünftige: ich schwimme,
fliege, flattere, krieche, laufe, sitze. Da kommt der Empedokles
und macht mich zum Strauche.

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