Lass Dir was einfallen! 2 Kor 4,6-11
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Beschreibung
vor 7 Monaten
„Lass Dir was einfallen“, sagte mir ein Freund neulich. Das klang
nicht wie der unfreundliche Hinweis eines Vorgesetzten, wenn ein
Mitarbeiter vor einem kaum lösbaren Problem steht: „Dann lassen
Sie sich was einfallen!“ Er meinte vielmehr, ich sollte mir die
Zeit geben, die es braucht, mich von dem erreichen zu lassen, was
ich aus mir nicht erreichen kann, und mich von dem finden zu
lassen, was ich aus mir nicht finden kann.
Solche Zeiten brauchen wir. Täglich, wöchentlich, jährlich. Und
unter den Anforderungen und Erwartungen, den Ablenkungen und
Inanspruchnahmen unserer Zeit wird es immer schwerer, sie zu
finden – oder eher noch: sich für sie zu entscheiden.
Es gibt eine Zeit, die dafür seit Urzeiten vorgesehen ist. Das
ist der Sonntag. Ursprünglich steht der in der Tradition des
Sabbats, des siebten Tages der Schöpfungswoche. Am sechsten Tag
war die Schöpfung vollendet und von Gott für „sehr gut“ befunden.
Doch auch der folgende Tag der Ruhe gehört zur Schöpfung dazu.
Ohne das Ausruhen ist das Werk unvollständig – selbst wenn es
sehr gut hergestellt ist. Es braucht eine Zeit, in der Gott die
Dinge „gut sein lässt“, damit sie es wirklich sind.
An diesem siebten Tag soll der Mensch wie Gott und mit Gott
ruhen. Und er soll Ruhe geben. Auch den anderen. Selbst dem
Sklaven und der Sklavin. Zur Sabbatruhe gehört der
Serviceverzicht und die Erinnerung an die eigene Sklaverei, an
die Befreiung aus dem Sklavenhaus Ägypten und alles, was ihm
heute ähnlich ist.
Für die Christen war das vor allem die Sklaverei durch (eigene
und fremde) Schuld, die das Leben zerstört. Deshalb haben die
Christen den Ruhetag einen Tag später gefeiert, am achten der
alten, am ersten der neuen Woche.
Am achten, weil die gefallene Schöpfung nicht durch die Ruhe
Gottes, sondern durch die Auferstehung Jesu Christi vollendet
wird.
Am ersten, weil der Tag der Auferstehung der erste Tag der neuen
Schöpfung ist, die mit der Erlösung aus der Verstrickung von
Sünde und Tod beginnt.
Den Sonntag zu halten ist leichter, wo der Sonntag eine
gesamtgesellschaftliche heilige Selbstverständlichkeit ohne
gegenteilige Erwartungen ist. Dafür besteht dann eher die Gefahr,
dass eine Fixierung auf die Gebotserfüllung zu Lieblosigkeiten
und Verengungen führt, die dem Sinn des Sonntags widersprechen.
Auch ich muss jedoch um die rechte Sonntagsgestaltung immer
wieder ringen. Weil der Arbeitsdruck hoch ist, oder weil am
Wochenende Veranstaltungen und Rückreisen anstehen. Nicht zuletzt
aber auch deshalb, weil wir Kirchenleute (wie andere Menschen im
Dienst am Nächsten) schnell dabei sind, unsere Arbeit für
heilsrelevant oder zumindest für menschenfreundlich und deshalb
für sonntagskompatibel zu halten.
Mir fällt am schwersten, was zugleich am wichtigsten ist:
anzunehmen, dass es heilige Zeiten gibt, die unverfügbar sind und
nicht verzweckt werden dürfen. Der Sonntag ist Beziehungszeit.
Und zwar für jene Beziehung, die im Alltag als erstes hinter
allen anderen zu verschwinden droht.
Der Sonntag ist dazu da, dass die Christen auf Christus schauen
und, dabei wie Paulus schreibt, den „göttlichen Glanz auf dem
Antlitz Christi“ erkennen (2 Kor 4,6). Das heißt erstens, dass
sie in ihm Gott erkennen und zweitens, dass im Schauen auf
Christus der göttliche Glanz auch auf ihr Antlitz und das ihrer
Nächsten fällt. Wer auf Christus schaut, darf und soll sich auch
gefallen lassen, von Christus angeschaut zu werden. Dieses
Schauen und Angeschautwerden, sagt Paulus, erinnert uns daran,
„dass das Übermaß der Kraft von Gott und nicht von uns kommt.“
Ich denke an den Rat des Freundes, Bedingungen zu schaffen, mir
etwas einfallen zu lassen. Dazu gehört auch die Erfahrung der
Natur, das neue Sehen und Hören von Freunden und Verwandten, die
Offenheit für Ungewohntes, die Beschäftigung mit
Ungeschäftlichem, die Beschenkbarkeit mit Unverdientem.
Heute ist Sonntag. Ich lasse mir was einfallen. Davon erzähle ich
dann, wenn mich jemand fragt, was mir eigentlich einfällt.
Fra’ Georg Lengerke
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