Einsiedeln im Ausnahmezustand: Das Welttheater wird 100

Einsiedeln im Ausnahmezustand: Das Welttheater wird 100

1924 feierte «Das grosse Welttheater» auf dem Klosterplatz in Einsiedeln SZ Premiere. Lukas Bärfuss' Neufassung soll 2024 für Gänsehaut sorgen. 500 Laien zeigen vor und hinter den Kulissen vollen Einsatz. «Kulturplatz» gräbt im Archiv und begleitet Me ...
29 Minuten

Beschreibung

vor 3 Monaten
1924 feierte «Das grosse Welttheater» auf dem Klosterplatz in
Einsiedeln SZ Premiere. Lukas Bärfuss' Neufassung soll 2024 für
Gänsehaut sorgen. 500 Laien zeigen vor und hinter den Kulissen
vollen Einsatz. «Kulturplatz» gräbt im Archiv und begleitet
Menschen aus dem «Spielvolk» zum grossen Auftritt. 100 Jahre nach
der Premiere von Calderóns «Das grosse Welttheater» auf dem
Klosterplatz von Einsiedeln SZ wirft Lukas Bärfuss mit seiner
zeitgenössischen Neufassung existenzielle Fragen auf. Wofür lohnt
es sich zu leben? Wofür zu sterben? Welche Rolle spiele ich im
Leben? Rund 500 Laien sind bei diesem Spiel – vor und hinter den
Kulissen – mit dabei; vom Enkel bis zur Grossmutter. Ein Spiel, das
Generationen verbindet und den Zusammenhalt im Dorf stärkt. Über
ein halbes Jahr lang wurde geprobt. Das «Spielvolk»: mit Feuereifer
dabei. Freizeit und Ferien wurden dem Spiel geopfert. Gemeinsam
haben Einsiedlerinnen und Einsiedler Grosses geschaffen.
«Kulturplatz» rollt die 100-jährige Geschichte auf, gräbt im
Archiv, birgt Anekdoten, erinnert sich mit Menschen, die seit
Jahren zum «Spielvolk» gehören an Skurriles und Unvergessliches und
begleitet Alte und Junge, vom Schicksal heimgesuchte und
Lebenshungrige bis zum grossen Auftritt. Das Klosterdorf Einsiedeln
zeichnet eine barocke Theatertradition aus. Auf dem Klosterplatz
wurde aber erstmals 1924 Theater gespielt, obwohl dieser einst
sogar nach speziellen akustischen Gesichtspunkten gestaltet wurde.
Die Wahl des Stückes fiel auf «Das grosse Welttheater» des
spanischen Dramatikers Pedro Calderón de la Barca in der
Übersetzung von Joseph von Eichendorff. Die Aufführung: weniger
Kunstgenuss als vielmehr seelische Erhebung. Am Stückende gab es
keinen Applaus; das Spielvolk stimmte zusammen mit dem Publikum
«Grosser Gott, wir loben Dich» an. In den 1960er-Jahren sorgte das
Mysterienspiel aber je länger je mehr für Unmut. Kritisiert wurde
die nicht mehr zeitgemässe, gottgewollte hierarchische Ordnung.
Eine rigorose Neuausrichtung wagte die Welttheater-Gesellschaft
aber erst 2000 mit Autor Thomas Hürlimann und Regisseur Volker
Hesse, auch wenn Calderóns Grundgedanken integraler Bestandteil
blieben. Nun hat sich Lukas Bärfuss den Stoff vorgeknöpft. Das
Kloster gab den Segen zu seinem Stück, das selbst vor
Kindsmissbrauch in der Kirche nicht Halt macht. Eva Wannenmacher
fragt Lukas Bärfuss, wie viel Provokation einkalkuliert ist. Und
sie trifft Abt Urban im Kloster mit einem gewissen Staunen, dass
der Abt keine Einwände hatte gegenüber der frivolen und sehr
expliziten Szene, die Kindsmissbrauch thematisiert. Im Wissen, dass
auch im Kloster Einsiedeln Missbrauch immer wieder ein Thema war.

Kommentare (0)

Lade Inhalte...
15
15
:
: