#210 Holger Schüttrumpf & Jörn Birkmann – Viel zu nah am Wasser gebaut
47 Minuten
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Beschreibung
vor 5 Monaten
Schon wieder Hochwasser. Ein
Jahrhundertereignis, ebenfalls: Schon wieder. Oben auf der Welle
schwimmt die Zukunftsfrage: Können wir uns eigentlich an ein
neues Klima anpassen? Im Gespräch sind gleich zwei Experten für
Hochwasser und Katastrophenmanagement. Holger Schüttrumpf leitet
das Institut für Wasserbau an der RWTH Aachen, Jörn Birkmann das
Institut für Raumordnung an der Universität Stuttgart. Beide
gemeinsam begleiten im Projekt KAHR den Wiederaufbau an der Ahr.
KAHR steht für Klima-Anpassung, Hochwasser-Resilienz. Und genau
darum dreht sich dieser Podcast: Können wir aus Katastrophen
lernen und uns anpassen? Und wenn ja, was bedeutet das?
Holger und Jörn betonen: Wir brauchen
differenzierte Sicherheit. Krankenhäuser und Feuerwehren müssen
auch unter extremen Bedingungen möglichst lange funktionieren.
Weg von der Hafenkante damit, oder gleich auf Stelzen. Und muss
man das Umspannwerk unbedingt dorthin bauen, wo es zufällig
gerade flach ist, also ins Flusstal? Die beiden sind sehr
deutlich: Wir werden nicht jedes Eigenheim genauso schützen
können. Zumal Sicherheit zu einem beweglichen Ziel wird. Wo ist
denn nun HQ100 - also das Gebiet in dem wir statistisch einmal
pro hundert Jahre mit Überschwemmung rechnen? Schätzen wir das in
zehn Jahren anders ein? Und wo dokumentieren wir das eigentlich?
Wir bräuchten so etwas wie einen Hochwasser-Pass. Jörn beklagt,
dass wir zwar groß darin sind, Faltblätter zu erstellen, um
Informationen breit zu streuen. Aber wenn es an die
Baugenehmigung geht, dann spielen Katastrophenthemen keine Rolle
mehr.
Es ist trügerisch zu glauben, dass die Erfahrungen aus der
Vergangenheit auch die Lösungen für die Zukunft bieten. Wir
wissen im Grunde, wie resilient bauen geht. Wir tun es nur nicht.
Dabei würden schon kleine Maßnahmen helfen. Keller einen Meter
höher, ein paar Stufen oder eine Rampe zur Tür. Den Strom nicht
in den Keller. Und die Ölheizung? Die ist insgesamt ein Problem:
Schwimmt der Tank auf, wird das Haus zum Sondermüll, das
Nachbarhaus meist auch und die Natur drum herum …
Insgesamt sind wir langsam. Vor zehn Jahren
wurde das Nationale Hochwasserschutzprogramm aufgelegt. 168
Maßnahmen. Davon sind genau neun umgesetzt und abgerechnet. Neun.
Dabei lohnt sich Prävention, gerade finanziell. Anpassung war
lange ein Thema, um das die Klimadiskussion einen Bogen gemacht
hat. Niemand wollte den Eindruck erwecken, wir könnten uns
weniger um Klimaschutz bemühen, weil wir uns ja anpassen könnten.
Außerdem ginge die Anpassung doch vor allem kleine Inselstaaten
in der Südsee etwas an. Inzwischen wissen wir: Wir brauchen
beides: Klimaschutz und Anpassung. Das gilt gerade beim Wasser:
Wir brauchen es und müssen uns zu gleich davor schützen.
Beide sind sich im Fazit einig: An die großen
Trends können wir uns anpassen. Also zum Beispiel die zunehmend
ungleiche Verteilung der Niederschläge übers Jahr ausgleichen.
Bei den Extremen geht das nicht, jedenfalls nicht zu 100%. Wir
wissen nämlich nicht: Wie extrem kann ein Extrem werden? Wir
haben technische Grenzwerte, die aber nichts darüber aussagen, ob
dieser Grenzwert überschritten wird und wie oft. Wir müssen
lernen, das zu akzeptieren: Wir können nicht alle Extreme
abpudern. Wir können Todesopfer weitgehend vermeiden, aber
Schäden? Nein. Dafür haben wir viel zu dicht und viel zu nah am
Wasser gebaut.
Zu Gast:
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Holger Schüttrumpf, Lehrstuhl und Institut
für Wasserbau und Wasserwirtschaft (IWW) RWTH Aachen University
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Jörn Birkmann, Institut für Raumordnung und
Entwicklungsplanung (IREUS)...
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