Blake Crouch: Wayward Pines Serie
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Beschreibung
vor 6 Monaten
Nach all den schweren Büchern, die es im Winter zu besprechen gab
über die Geschichte der Menschheit vom Anfang bis zur aktuell
traurigen Gegenwart oder gar von der neuen Spielart des
Feudalismus mit der Vorsilbe Techno-, in der wir alle gleichzeitg
Konsumenten wie Fronarbeiter sind, reicht das dann auch mal
wieder und es ist an der Zeit ein Buch zu lesen, in dem zur
Abwechslung mal die Protagonisten am Arsch sind und nicht wir
selbst.
Nehmen wir diesen knackig aussehenden Mittdreißiger, volles Haar,
kantiges Kinn. Der liegt am Ufer eines Flusses, durchaus
idyllisch, aber ihm tut alles weh. Seine linke Seite fühlt sich
sehr nach Rippenbruch an, wenn nicht garstiger. Er hat einen
schwarzen Anzug an, darunter ein weißes, blutverschmiertes Hemd.
Er hat also eher einen Scheißtag und dabei ist der Ausblick, wie
er sich mühsam erhebt, unwirklich idyllisch. Ein Spielplatz,
Felder, Pinienwälder, ein Gebirgsmassiv in dem sich die
Abendsonne spiegelt. Wir sind in Idaho, USA, irgendwo in der
Mitte zwischen Pazifik und Rocky Mountains, Niemandsland, Flyover
Country. Das weiß Mr. Handsome noch nicht. Er weiß ohnehin nicht
wirklich viel, noch nicht mal seinen Namen.
Den erfahren wir Leserinnen im zweiten Kapitel, wie sich der Mann
nach wildem umherirren im Bilderbuchstädtchen “Wayward Pines” und
anschließendem Zusammenbrechen im Angesicht einer breit
grinsenden Krankenschwester wiederfindet, perfekt in Umgang und
Aussehen, scheinbar einer Krankhausserie in den 50ern
entsprungen. Er heiße Ethan Burke, antwort er dieser.
Fortschritt. Ethan Burke, ein Name wie aus einem amerikanischen
Thriller. Handwerklich hat der Autor Blake Crouch, eine Name wie
der eines amerikanischen Thrillerautors, es schon mal drauf.
Ethan Burke klingt wie Jack Ryan, Jason Burne, Jack Reacher. Auf
die Frage “Was ist Ehtan Burke von Beruf” können wir die Antwort
locker auf drei Möglichkeiten eingrenzen. Der schwarze, eng
sitzende Anzug ist der Clou. Der Mann ist kein Privatdetektiv, da
wäre der Anzug braun, auch kein gewöhnlicher Bulle, da wäre der
Anzug schlecht geschnitten. Es riecht stark nach Agent. FBI, CIA
oder Secret Service.
Es ist letzeres und wie wir lernen, macht der in den USA nicht
nur Personenschutz für korrupte Politiker, sondern auch Recherche
fürs Finanzamt. Man lernt nie aus. In Wayward Pines ist Ethan,
weil zwei seiner Kollegen verschwunden sind, eben hier.
Ohne Geld und Papiere macht sich Ethan auf den Weg durchs Dorf.
Fündhundert Einwohner, nicht mehr, schätzt er, wohnen hier. Es
sieht aus wie in einer Filmkulisse.
Die Leute sind freundlich, wenn auch reserviert und seltsam
uninteressiert daran, dass durch ihr blitzeblankes, ordentliches
Städtchen ein Typ mit blutigem Shirt ohne Ziel und Aufgabe
stolpert. Die Empfangslady beim Sheriff hält es für noch nicht
mal so dringend, den Chef zu holen, auch wenn Ethan betont, er
sei beim Secret Service. Die Empfangsdame im Hotel läßt sich nach
ein bisschen Charmeattacke darauf ein, ihm ein Zimmer zu geben,
auch ohne Kreditkarte und Ausweis.
Das alles schreibt Blake Crouch in rasanter, kontrollierter
Thrillersprache, wir sind äußerst gespannt, worum es geht. Denn
dass das hier alles viel zu perfekt ist, viel zu wenig Autos auf
der Straße und der Umstand, dass sich Ethan an kaum etwas
erinnern kann, verbreitet von Anfang an ein Lee Child Feeling,
dem man sich schwer entziehen kann.
Auf der Suche nach etwas Essbarem, immer noch ohne Geld, kommt
Ethan an einem Haus vorbei, Zikaden zirpen, er meint etwas im
Gebüsch gesehen zu haben. Ethan findet statt Zikaden einen
Kasten, der Zikadengeräusche aussendet. Spätestens jetzt wissen
wir, das wir gerade die Schwelle vom Lee Child Country ins
Stephen King Land überschritten haben.
Und weil das so ist, lassen wir die Handlung hier unbeschrieben.
Die Überraschung wird zu groß sein. Das Buch kippt im letzen
Viertel vom gemeinen Thriller in ein derart anderes Genre, dass
es ein Verbrechen am Leser wäre zu enthüllen, worum es geht.
Selten sah sich Herr Falschgold so geschockt und überrascht. Auf
dem Weg zur Enthüllung reimen sich immer weniger Dinge und wie
jeder Thriller/Mystery-Leser habe auch ich mir den Kopf
zermartert, wie das alles zusammenpasst. Es passt, es ist
wirklich originär und unerhört, es ist phantastisch!
Das ganze Ding liest man auf einem mittellangen Urlaubsflug
durch, und wenn man fertig ist, freut man sich enorm, dass es
noch zwei weitere Teile gibt.
Das sich das Sujet - schick aussehender Secret Service Dude,
amerikanische Kleinstad, mysteriöse Umstände - wie Arsch auf
Eimer für eine Fernsehverfilmung eignet, ist klar und ist Amazon
Prime im Jahr 2015 auch nicht entgangen. Es war ein ziemlicher
Hit und deshalb ist es um so verwunderlicher, dass mir das Werk
bis dato nie über den Weg gelaufen war. Das heißt aber auch, dass
man beim googlen überall Spoiler findet, die man sorgfältig
umschiffen sollte. Deshalb: besser die Buchhändlerin des
Vertrauens anrufen, das Buch bestellen und sie bitten den
Schutzumschlag samt Klappentext zu verbrennen, denn dann ist Euer
Vergnügen, die Geheimnisse von Wayward Pines zu entecken genauso
groß wie das meine, garantiert!
Auf Deutsch ist das Buch übrigens unter dem Titel “Psychose”
erschienen. Wir sparen uns jeden Kommentar.
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