Podcast
Podcaster
Beschreibung
vor 5 Monaten
Ludwig Tiecks Novelle „Der blonde Eckbert“ entstand im Jahr 1797,
mitten in der deutschen Romantik, als der Phantasie oftmals eine
Art freier Lauf gelassen wurde. Und die Binnenerzählung dieses
Werks – die erzählte Lebensgeschichte der Figur Bertha – gleicht
denn auch einem romantischen Märchen, erzählt am Kamin und voller
aufregender Ereignisse und überraschender Wendungen. Tieck zeigt
sich im Hinblick auf den gesamten Text jedoch als absolut
formtreuer Novellist – wie in „Des Lebens Überfluss“ (vgl. die
Podcast-Folgen vom 23. Januar bis 6. Februar). Denn natürlich
enthält das Werk auch eine Rahmenerzählung. Und was für eine!!
Sie stellt an ihrem Schluss die gesamte Binnenerzählung, also
Berthas Geschichte, infrage und zwingt den Leser, die Hörerin, ja
sogar Bertha selbst dazu, alles noch einmal zu überdenken und
anders zu deuten.
Es sind zwei Geschichten in einer, und beide sind ereignisreich
und äußerst unterhaltsam. In der märchenhaften hören wir von
unglücklicher Kindheit, vom Aufbruch in die Fremde, von
Todessehnsucht und Todesangst, dem Wunsch nach anderen Eltern,
einer symbolischen Wiedergeburt in der Natur, einer (scheinbaren)
Helfer-Figur, von merkwürdigen Tieren, Geheimnissen, Edelsteinen,
vom Entdecken der Literatur in der Jugend und von unbewusst
aufsteigenden Ahnungen. Dann aber, in der anderen Geschichte,
auch von Lügen, Misstrauen, merkwürdigen Identitätswechseln,
wahnhaftem Erleben, sogar von Mord.
Am Ende fallen nach dem Aussprechen eines kleinen Wortes (es ist
der Name eines Hundes) sämtliche Lebenspläne der zentralen
Figuren zusammen, mehr als das: Ganze Leben enden nun. Bertha
selbst stirbt, und in Eckberts Psyche geht alles durcheinander.
Traum und Wirklichkeit scheinen sich in ihm zu vermischen. Er
liegt am Ende „wahnsinnig und verscheidend auf dem Boden“, wie es
heißt.
So unterhaltsam, bilderreich und aufregend kann Literatur aus
längst vergangenen Jahrhunderten sein. Gut, dass sie sorgfältig
archiviert wurde, so dürfen wir noch heute an dieser Erzählung
teilhaben.
Und mehr als gut, geradezu märchenhaft eindrucksvoll kommt die
Interpretation der Schauspielerin Eva Schröer daher und zu uns.
Sie bietet mit ihrer mehrstimmigen Aufnahme eine sprechästhetisch
hochwertige Interpretation an, und so ist ein Hör-Kunstwerk
entstanden, das es uns leicht macht, all das, was wir in ihm
hören, uns vorstellen, vor oder in uns sehen zu können. Es ist
ein Glück für uns und alle an Literatur Interessierte, dass es
solch starke und ausdruckssichere Erzählkünstler gab und gibt wie
Ludwig Tieck und Eva Schröer.
Weitere Episoden
17 Minuten
vor 1 Woche
54 Minuten
vor 3 Wochen
57 Minuten
vor 1 Monat
7 Minuten
vor 1 Monat
56 Minuten
vor 1 Monat
In Podcasts werben
Kommentare (0)