Stephen King: You Like It Darker: Stories

Stephen King: You Like It Darker: Stories

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vor 4 Monaten

Liebe Leserinnen und Leser,


ja, der Untertitel des heutigen Beitrages ist derselbe wie bei
meiner vorletzten Besprechung. Passt einfach immer.


Elvis has left the building. Bevor der King - unklar ist bis
heute, ob er wirklich tot ist - abtrat, zerstörte er sich relativ
systematisch selbst und auch mit der Hilfe von anderen seinen
Körper und sein Oberstübchen und steht in der langen Reihe derer,
deren Gehirnleistung über die Jahrzehnte kontinuierlich abnahm
und auch immer konservativer und rechter wurde. Puh.


Alle, die beim letzten Satz ob der gesellschaftlich tief
verwurzelten Altersfeindlichkeit die Stirn in Falten legten:
Glückwunsch, ertappt. Allen anderen: vielleicht ist diese
Erzählung, dass Menschen im Alter immer langsamer, konservativer
und mäh werden, auch schlichtweg Propaganda, und die Beispiele,
die uns hierfür vorgeführt werden, sind nicht mehr als
anekdotische Evidenz.


Ein heller Stern am literarischen Firmament, der jedes Anzeichen
von Altersfeindlichkeit einfach überstrahlt ist King, der
Stephen.


Gerade ist ein neuer Band von ihm veröffentlicht worden,
Kurzgeschichten, Erzählungen und Novellen sind versammelt: “You
Like It Darker”, im Deutschen nah am Original: “Ihr wollt es
dunkler”. In der Papierausgabe ein schönes Brikett, nämlich 736
Seiten in der deutschen, in der englischen immerhin auch noch 512
Seiten.


In der Diskussion mit den Studio B-Kollegen wird es sicher auch
konkret um einige der Stories gehen, aber hier soll nichts zum
Inhalt verraten werden. Zumindest nicht zum Inhalt des
literarischen Werkes.


Für mich fühlte es sich die ganze Zeit wie Abschied an. Machen
wir uns nichts vor: Stephen King wird leider nicht jünger,
Schriftsteller seiner Generation haben entweder bereits ihren
Abschied verkündet (Don Winslow) oder übergeben nach und nach an
Familienmitglieder (Lee Child), und auch der King himself
(Stephen) hat bei nicht wenigen seiner letzten Werke mit seinen
Söhnen kooperiert.


Der Titel erinnerte mich sofort an You Want It Darker, die letzte
Platte von Leonhard Cohen, die kurz vor seinem Tod veröffentlicht
wurde. Die andere Assoziation zum Titel ist Some Like It Hot,
aber das sind eben die Wirren des Gehirns.


You Want It Darker ist eine Empfehlung von mir, vor allem für das
Nachwort. Versteht mich nicht falsch: einige der Stories sind
sensationell und überraschen, einige sind aber auch klassische
1980er/90er Stücke, bei denen ich den Eindruck hatte, dass
Stephen King damit kämpft sich zu entscheiden, was er mit der
jeweiligen Idee nun eigentlich machen möchte, und da ihm als
genre-übergreifender Tausendsassa auch die übernatürliche Galaxie
offen steht, greift er dann manchmal doch zu - nun ja - etwas
altbackenen Klötzchen?


Zum Sahnehäubchen des Buches, zum Nachwort:


Das Gefühl des Abschieds verstärkt sich, wenn er über seinen
literarischen Arbeitsprozess, die (Ab-)Gründe seiner Fantasie,
die Genese schreibt. Allein diese wenigen Seiten, die plastisch
beschreiben, wie seine Geschichten zu ihm kommen, (und hier kommt
doch ein Spoiler): er kann es nicht nachvollziehen, und dann in
einem Nebensatz erklärt, dass er sich wohl “im Spektrum
befindet”, aber das auch ziemlich egal findet. Und wieder einmal
seine Haltung zeigt, die ihn über die letzten Jahrzehnte
ausgezeichnet hat: nicht nur die Verwerfungen der Welt und ihre
Entwicklung sehen und lamentieren oder gar in seinen Werken
ignorierend, sondern im Alter immer klarer sehend, wo er als nun
alter weiser Mann steht, und dabei solidarisch zu sein und seine
Stimme dafür zu nutzen. Auch wegen seiner Twitterkommentare wurde
die Plattform am Ende zerstört, aber falls ihr noch da seid,
schaut vorbei. Schön, wie er mit den Leuten interagiert und ab
und zu pöbelt.


Gleichzeitig bestätigt er - um den Bogen zum Literarischen
zurückzuschlagen -, dass die Form der Kurzgeschichte nicht seine
stärkste ist, puh. Gut, das empfand ich ähnlich.


Ich hoffe sehr, dass dies kein Abschiedsbuch ist.


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