Das totale Kapital | Von Felix Feistel

Das totale Kapital | Von Felix Feistel

46 Minuten

Beschreibung

vor 4 Monaten

Ein Standpunkt von Felix Feistel.


Bei der Untersuchung des Phänomens totalitärer Bewegungen und
Systeme stellt sich immer die Frage, wie diese entstehen können.
Wie kann es sein, dass sich die Massen plötzlich in Bewegung
versetzen lassen und einer Ideologie hinterherlaufend den
gesunden Menschenverstand vollkommen ignorieren? Wie kommt es
überhaupt dazu, dass die Notwendigkeit eines Totalitarismus
entsteht, eine fast schon zwangsweise Totalitarisierung der
Politik? Ist das totalitäre System nicht etwas vollkommen Neues,
etwas zuvor nicht da gewesenes? So schreibt es zumindest Hannah
Arendt in Anbetracht des Totalitarismus, den sie bezeugen musste.


Doch hier gibt es bei Arendt einige Leerstellen, einige blinde
Flecken, die vielleicht den Umständen geschuldet sind, dass sie
in der Kriegs- und Nachkriegszeit diese Aspekte überhaupt nicht
sichtbar waren. Nun aber, in den letzten Jahren und Jahrzehnten
traten sie immer offenkundiger zutage. Denn der Totalitarismus
ist nicht plötzlich über die Menschheit gekommen. Vielmehr ist
der Totalitarismus schon lange ein Begleiter der Menschheit, und
eine treibende Kraft, die Gesellschaften enorm verändert hat, und
zwar in Form der Ökonomie, in Form des Kapitalismus. Bei diesem
handelt es sich um ein System, das alle Aspekte des
Totalitarismus aufweist.


Wie der Totalitarismus stellt der Kapitalismus eine nicht enden
wollende Bewegung dar. Er erfordert immer weitere Entwicklung,
immer weiteres Voranschreiten, ohne, dass ein Ziel definiert
wäre. Die Ziellosigkeit ist ein wesentlicher Aspekt des
Totalitarismus. Denn die Bewegung, mit welcher der Totalitarismus
voranschreitet, darf nie an ein Ende gelangen. Tut sie das,
bricht der Totalitarismus in sich zusammen. Und so erfordert auch
der Kapitalismus immer weiteres Wachstum, ohne, dass es ein
definiertes Ziel dieses Wachstums gäbe. Denn das Wachstum darf
niemals aufhören, es gibt keinen Zustand, bei dessen Erreichen
das Wachstum ein Ende finden könnte. Immer neue
Anlagemöglichkeiten, Absatzmärkte und Profitsteigerungen müssen
daher erzielt werden, jedes Jahr müssen mehr Waren produziert und
verkauft, und Dienstleistungen geleistet werden, damit das
Bruttoinlandsprodukt (BIP) immer fleißig auf Wachstum steht.


Kann dieses Erfordernis des ewigen Wachstums nicht erfüllt
werden, dann bricht der Kapitalismus zumindest lokal in sich
zusammen. Es kommt zu einer Rezession, Firmen werden insolvent,
Menschen arbeitslos, und die Massen verarmen. Gleichzeitig bieten
diese Zeiten des Zusammenbruchs für das global agierende Kapital
wieder gute Anlagemöglichkeiten, eine Möglichkeit, die eigenen
Monopolstellungen auszubauen. Denn für das Kapital, also jene
globalen Megakonzerne, Finanzverwalter und Oligarchen gibt es
keine schlechte Krise. Da sie global agieren, können sie die
Krise in dem einen Land, oder der einen Region der Welt
ausnutzen, um mithilfe ihres Vermögens diese Regionen billig
aufzukaufen, den Markt neu zu organisieren, und neue
Absatzmöglichkeiten zu schaffen.


Genau das geschah in den letzten beiden Weltkriegen. Diese,
angezettelt durch das angloamerikanische Kapital, vernichteten in
großem Maßstab Werte, und schufen gleichzeitig neue. Denn Waffen
mussten produziert, und dann wieder zerstört werden, und
insbesondere nach dem zweiten Weltkrieg musste Europa wieder
aufgebaut werden, was natürlich enorme Gewinne ermöglicht,
insbesondere in Form von Unterstützung durch den Marshallplan.
Denn dieser zielte hauptsächlich darauf ab, US-amerikanische
Firmen und Produkte auf den europäischen Markt zu bringen und
diesen Markt in die Lage zu versetzen, sie auch umzusetzen.


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