«Nach den Wahlen: Wird Indien unter Narendra Modi zur globalen Supermacht?» – mit Pradnya Bivalkar und Manuel Vermeer

«Nach den Wahlen: Wird Indien unter Narendra Modi zur globalen Supermacht?» – mit Pradnya Bivalkar und Manuel Vermeer

48 Minuten

Beschreibung

vor 4 Monaten

640 Millionen Inder und Inderinnen haben gewählt, zwei Drittel
aller Wahlberechtigten. Für Pradnya Bivalkar der Robert Bosch
Academy war das Resultat „eine extrem positive Ueberraschung.
(..) Das Wahlergebnis ist auch dahingehend super im Sinne der
Checks and Balances, weil das in den letzten zwei Legislaturen
komplett gefehlt hat.“ – Manuel Vermeer vom Ostasieninstitut der
Hochschule Ludwigshafen urteilt differenzierter: „Das kann nur
gut sein für die indische Demokratie aus indischer Sicht. Aus der
deutschen oder chinesischen Sicht (..), wenn ich das
wirtschaftlich betrachte, wäre ein noch mächtigerer Modi sogar
besser gewesen, weil er Infrastrukturprojekte, Digitalisierung,
Reform des Rechtswesens, alles was ansteht, schneller und
einfacher hätte durchsetzen können“. Aber als „halber Inder“ sei
er „sehr froh darüber, dass Modi das nicht einfach kann, weil er
doch sehr autokratische Züge in das ganze System gebracht
hat“.

Bivalkar argumentiert, Modi und seine Partei haben Probleme mit
ihrem Projekt, „eine hinduistische Identität zu konstruieren.
(..) Da gibt es sehr starke regionale Parteien mit sehr starkem
regionalen Identitätsverständnis.“ Der Ausgang der Wahlen sei
„auch eine Anmahnung an die Regierung, sich stärker um das
Wohlbefinden der Bauern zu kümmern und um die hohe
Arbeitslosigkeit. (..) Wenn die Politik versagt, (..) auf die
sehr existentiellen Fragen einer sehr jungen Bevölkerung zu
agieren, dann Hinduismus hin oder her, da geht es um etwas ganz
Wesentliches, das war ein Element des grossen Misskalküls“ von
Modi.

Für Vermeer gibt es den Hinduismus gar nicht. Das sei eine
Wortschöpfung der Briten: „Alles was die Briten nicht verstehen
und woran diese komischen Inder glauben, das nennen wir jetzt mal
Hindu-Ism. Eigentlich haben sie ‘ism‘ an Hindu angehängt und
damit alles subsumiert, was sie nicht verstanden. Es gibt keine
Religion, die Hinduismus heisst (..) Es ist eine Mischung aus
ganz vielen religiösen Strömungen. Man muss Indien viel
heterogener betrachten, als dass wir das hier tun, es ist 10mal
so gross wie Deutschland.“

Was Modi wirtschaftlich „in den letzten 10 Jahren erreicht hat,
ist, dass er Indien einfach wieder auf die Weltkarte gebracht
hat. (..) Jetzt ist die Frage nur noch, ist das jetzt die
indische Dekade oder wird das jetzt das indische Jahrhundert. Die
Frage ist nicht, wird Indien eine Weltmacht, sondern die Frage
ist nur noch, wie lange dauert’s“. 

Aber um China einzuholen, braucht Indien ein nachhaltiges
Wirtschaftswachstum. Dafür reichen, so Vermeer, nicht einmal
jährlich sechs Prozent. „Indien muss noch viel stärker wachsen,
um vor allem die Jugendarbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen,
es muss in den nächsten Jahren 100 Millionen Jobs schaffen (..)
Es muss die Jugend bilden. (..) In Indien leben immer noch zwei
Drittel der Menschen in der Landwirtschaft und ein Drittel in den
Städten, in China ist es andersrum. (..) In der Landwirtschaft
sind die Menschen extrem schlecht bezahlt. (..) Wenn ich 500 Mio.
Menschen habe unter 25, dann kann das ein grosses Asset sein,
wenn ich sie schule, bilde. Aber es ist auch eine Belastung, wenn
ich sie nicht bilde. Und das ist der Fall heute. Wir haben
Hunderte von Millionen Menschen, die können nicht lesen und
schreiben“.

Wird sich Indien zur globalen Weltmacht entwickeln? Vermeer traut
Modi das zu: „Wenn’s einer kann, dann ist Modi sicher derjenige,
der Indien auf die richtige Spur setzen kann. Er hat es zehn
Jahre lang getan, das haben wir gesehen bei der Digitalisierung,
bei der Mehrwertsteuer, die er für ganz Indien endlich
vereinheitlicht hat, gegen grosse Widerstände - ein Kraftakt.“
Aber um Weltmacht zu werden, müsste sich Indien "entsprechend
aufstellen, militärisch, politisch, wirtschaftlich. Und da ist
noch ein grosser Weg.“

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