Georg Trakl: In den Nachmittag geflüstert

Georg Trakl: In den Nachmittag geflüstert

72 Sekunden

Beschreibung

vor 2 Monaten

Georg Trakl schrieb das Gedicht "In den Nachmittag geflüstert" im
Jahr 1912. In seiner dichten, melancholischen Atmosphäre, die
ihre Fülle gerade daraus bezieht, dass sich auch in diesem
Trakl-Gedicht Bilder von Vergänglichkeit und Tod mit Bildern des
Idylls und natürlicher Schönheit verbinden. Schon der Titel des
Gedichts setzt dabei die Stimmung: Der Text entfaltet sich wie
ein ungreifbares, flüchtiges Flüstern, in dem sich ambivalente
Bilder eines Spätsommertages transportieren.


Das Gedicht eröffnet mit der Darstellung einer sanften
herbstlichen Sonne, die eine zarte, fast schwache Wärme
ausstrahlt. Diese fragile Stimmung wird durch das Bild des
fallenden Obstes von den Bäumen verstärkt: Das Gedicht nimmt
genau jenen Zeitpunkt in den Blick, an dem volle Reifung süßer
Früchte und ihre baldige Verwesung sich berühren.


Das drückt sich auch in der spätsommerlichen Jagd aus, durch
deren Thematisierung das Todesmotiv nun explizit ins Blickfeld
rückt. Die Eindrücke eines getroffen niederbrechenden Tiers, das
in der Folge wohl einer Verwertung zugeführt wird und von der
Sonne eines zurückliegenden Sommers gebräunter Mädchen, deren
Lieder nun jedoch verwehen, verstärken die Melancholie eines
Spätsommertages, der sich nicht festhalten lässt und der gerade
in dem Sehnsuchtsschmerz, den das auslöst, besonders intensiv
empfunden werden kann.


Der Thematisierung von Klanglichkeit fällt in Trakls Gedicht eine
besondere Rolle zu. Insgesamt dominieren leise, fast unhörbare
Klänge, das bereits erwähnte Flüstern, die "Stille" des
Nachmittags. Selbst das Abfeuern eines Schusses löst
verhältnismäßig geringe Amplituden aus ("Sterbeklänge") und
durchbrechen die Stimmung nicht nachhaltig. Fraglich ist, ob die
Ruhe, die das Gedicht zum Ausdruck bringt, ausschließlich
idyllischer Natur ist, oder ob es sich dabei um eine Todesstille
handelt. Wenn "rauhen Lieder" der Mädchen als Ausdruck von
Lebensfreude zur Unhörbarkeit verweht werden, dann liegt die
zweitere Deutung nahe. Schließlich führt das Gedicht in der
letzten Strophe auf, wie "traurige Gitarren rinnen", deren
melancholischer Klang die Stimmung der Dämmerung und des Rückzugs
ins Innere akustisch unterstreicht.


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