Reaktanz und „Rechtsruck“ | Von Roberto J. De Lapuente
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vor 4 Monaten
Tausendfacher Wolfsgruß bei der Europameisterschaft: Den
Rechtsruck, von dem die Politik dauernd spricht, fabriziert sie
selbst.
Dienstag, 2. Juli 2024, Tatort Leipzig: In der 59. Minute des
Achtelfinalspiels Türkei gegen Österreich erzielt der Spieler
Merih Demiral das zwischenzeitliche 2:0 für seine Mannschaft —
der Türke läuft über den Platz, reckt seine Arme in die Höhe und
zeigt den Wolfsgruß. Dabei legt man den Ring- und Mittelfinger
auf den Daumen und spreizt Zeigefinger und kleinen Finger nach
oben ab. Symbolisch sieht das auch aus wie ein Wolf — oder wie
ein Fuchs, weswegen in Deutschland viele Grundschullehrer im
Unterricht den sogenannten Schweigefuchs anzeigen, wenn sie ihre
Klasse zur Ruhe auffordern möchten. Der Wolfsgruß gilt als Symbol
der Grauen Wölfe. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss
türkischer Rechtsextremer. Die Grauen Wölfe werden in Deutschland
vom Verfassungsschutz beobachtet. Sie sind aber hierzulande nicht
verboten, auch der Wolfsgruß nicht. Die Empörung danach war
dennoch groß. Insbesondere die Bundesinnenministerin war wieder
ganz in ihrem Element, sie forderte die UEFA prompt zum Handeln
auf. Das tat die UEFA dann auch: Sie sperrte Demiral für zwei
Spiele. Ein Gummiparagraf macht es möglich. Der spricht vom guten
Benehmen auf dem Platz — was das dann ist, entscheidet die UEFA
nach Tagesform.
Ein Standpunkt von Roberto J. De Lapuente.
Hysterie und Willkür
Sucht man den Zusammenschnitt der Partie bei der ARD, ist
von dem Gruß nichts mehr zu sehen. Man merkt aber, dass an der
Szene herumgeschnitten wurde. Statt jubelnder Kicker wird man
euphorisierter Zuschauer ansichtig, dann eine Wiederholung, und
schon geht es weiter. Das Land versank für einen Augenblick
wieder in Hysterie, ganz so, wie man es seit geraumer Zeit kennt.
So mahnte der Lehrerverband an, dass Kollegen auf die Ähnlichkeit
zwischen Wolfsgruß und dem oben schon genannten Schweigefuchs
aufmerksam gemacht werden müssten — außerdem sollten jetzt Eltern
mit ihren Kindern sprechen.
Offenbar gilt es in diesem hochgradig symbolpolitisierten
Deutschland als ratsam, kleine Kinder in Deutschland über eine
extremistische Vereinigung in der Türkei aufzuklären — noch bevor
sie richtig schreiben, lesen und rechnen können.
Zuweilen erklärt sich von alleine, weswegen Kinder aus deutschen
Schulen so miserabel bei der PISA-Studie abschneiden:
Antifaschismus wird bei dieser Erhebung nämlich nie abgefragt.
Vier Tage nach dem Achtelfinalspiel trafen die Türken auf die
Niederlande. Das Spiel fand im Berliner Olympiastadion statt.
Ohne den gesperrten Demiral. Schon vorher war zu lesen, dass sich
türkische Fans verabredet hatten, kollektiv den Wolfsgruß zu
zeigen. Tausende wollten mitmachen. Auf dem Fanmarsch zum Stadion
hielten sie ihr Wort, sie zeigten den nicht verbotenen und doch
verbotenen Gruß. Die Polizei brach den Marsch umgehend ab. Auf
welcher Grundlage bleibt indes fraglich. Denn — wie gesagt —
verboten ist der Gruß in Deutschland nicht. Die Polizei hat sich
also offenbar mal wieder auf Zuruf der Politik
instrumentalisieren lassen. Sie benötigt in Deutschland keinen
gesetzlichen Rahmen, um einzuschreiten — sie ist der gesetzliche
Rahmen, wenn die Politik es zwischen Tür und Angel genehmigt...
... hier weiterlesen:
https://apolut.net/reaktanz-und-rechtsruck-von-roberto-j-de-lapuente
+++
Dieser Beitrag erschien zuerst am 26. Juni 2024
bei manova.news
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