#218 Arne Semsrott – Die Freiheit, das Strafrecht und die AfD

#218 Arne Semsrott – Die Freiheit, das Strafrecht und die AfD

43 Minuten

Beschreibung

vor 3 Monaten

Unser Diskurs über Freiheit ist ein
Armutszeugnis; wir machen die Freiheit kleiner als sie
eigentlich ist. In unseren Debatten, in denen wir ständig Verbote
wittern und darüber vergessen, dass genau dies eine ganz zentrale
Aufgabe von Politik ist: Auszuloten und zu bestimmen, bis wohin
wir ein gutes Leben haben wollen - und wo die Grenze dessen
erreicht ist. Unspektakulärer geht es kaum. Stattdessen schreien
wir vor Aufregung über Bagatellen wie ein Tempolimit und nehmen
gleichzeitig Menschen für noch kleinere Kleinigkeiten die
Freiheit. Wenige Male Schwarzfahren reicht.


Arne Semsrott ist - neben vielen anderen
Projekten - Gründer des Freiheitsfonds. Der Fonds kauft Menschen
aus dem Gefängnis frei, teils einen Monat schon für 50€. Seit der
Nazizeit ist Schwarzfahren in Deutschland strafbar. Wer mehrfach
erwischt wird und den folgenden Strafbefehl nicht zahlen kann,
erlebt die deutsche Besonderheit „Ersatzfreiheitsstrafe“. Damit
gehen genau die ins Gefängnis, die es gar nicht sollen. Pro Jahr
10.000 Menschen in Deutschland. Inzwischen sind es die
Gefängnisse, die beim Freiheitsfonds anrufen und darum bitten,
Menschen freizukaufen. Damit ist die Absurdität auf die Spitze
getrieben: Der Staat sorgt dafür, dass die falschen Menschen in
Haft kommen - und anschließend bittet der Staat private
Organisationen, sie dort wieder herauszuholen.


Das Thema ist ein Türöffner, sagt Arne, denn wir
haben ein Thema mit der Elendskriminalität. Arme Menschen werden
systemisch benachteiligt. Schwarzfahren, Ladendiebstahl, die
Liste ist lang. Das Bundesjustizministerium hat ein Gesetz zur
Entkriminalisierung angekündigt, so weit hat der öffentliche
Druck schon geholfen. Allein: Der Entwurf für das Gesetz kommt
nicht. Und er muss bald kommen, sonst vergeht diese Legislatur.
Wer also ein paar Minuten hat und das Projekt unterstützen will:
Ein Brief an Minister Marco Buschmann oder seien Staatssekretär
Benjamin Strasser hilft.


Die Freiheit ist auch aktuell politisch bedroht.
Arne hat gerade ein Buch veröffentlicht, das eine Anleitung zum
Widerstand bieten soll. Kurz gesagt: Was tun, wenn die AfD und
andere antidemokratische Parteien bei den ersten Wahlen
tatsächliche Mehrheiten erringen? Die Demokratie wird nicht in
einem Knall enden. Die AfD will sie beenden, keine Frage, aber
eher in vielen kleinen Schritten. Mehr Menschen in Präventivhaft,
Strafanzeigen gegen Journalisten, etc. Die Anknüpfungspunkte sind
alle da. Arne sagt: Wir müssen laut sein, es verhindern, aber
wirkungsvoll. Und das heißt nicht, den heutigen AfD-Wählern nach
dem Mund zu reden und in vorauseilendem Gehorsam erst ihre
Talking Points und dann die Positionen zu übernehmen, sondern
sich vorzubereiten.


Arne nennt drei konkrete Schritte:



Stellen wir uns auf den Wahlabend ein. Wie
wird er aussehen, wie sich möglicherweise anfühlen? Wen rufen
wir an, um zu sagen: ich bin da?


Wie sichern wir die Zivilgesellschaft? Die AfD
wird schnellstmöglich den Geldhahn zudrehen wollen, wie können
wir Institutionen davon stärker unabhängig machen?


Und ein Schritt für alle, die in Behörden
arbeiten: Was geschieht, wenn die AfD für mein Amt
zuständig wird? Was muss ich umsetzen, welche Informationen
kann ich leaken, wie die Prozesse verlangsamen? Arne hat ein
ganzes Kapitel seines Buches den Beamten gewidmet, denn ihnen
kommt am Ende die Rolle zu, aus AfD-Positionen praktisches
Handeln zu machen.



Nicht gesprochen haben Michael und Arne
über Fragdenstaat.de. Auch das macht Arne. Nächstes Mal.


Zu Gast: Arne Semsrott, Politikwissenschaftler
und Aktivist, leitet das Recherche- und Transparenzportal

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